Das Dekameron
durch ihren würzigen Duft den Geruchssinn erfreuten. In der Mitte dieses Rasenplatzes war ein Wasserbecken von weißestem, wunderbar mit Bildhauerarbeiten geziertem Marmor. Aus ihm erhob sich auf einer Säule eine Figur, welche - ich weiß nicht, ob durch Naturkraft oder durch eine künstliche Anlage - einen Wasserstrahl von solcher Mächtigkeit, daß ein geringerer eine Mühle zu treiben vermocht hätte, hoch gen Himmel emporsandte, worauf er dann nicht ohne ein ergötzliches Plätschern in die klare Schale zurückfiel. Soweit das Becken den Überfluß des Wassers nicht zu fassen vermochte, lief dieses in verborgenen Rinnen unter dem Rasen hin, zog sich, außen wieder hervorrieselnd, in schönen und künstlich angelegten Gräben rings um die Wiese hin, worauf es dann fast nach jeder Richtung in ähnlichen Bächen den Garten durchfloß und endlich, an einer Stelle wieder vereint, diese schönen Plätze verließ, um sich kristallklar ins Tal zu ergießen, nachdem es zuvor noch, zu nicht geringem Vorteil des Besitzers, zwei Mühlen in Bewegung gesetzt hatte.
Der Anblick dieses Gartens, seine schönen Anlagen, die Pflanzen, der Springbrunnen mit den Bächen, die aus ihm flössen, behagten sämtlichen Damen und den drei Jünglingen so sehr, daß alle versicherten, sie könnten sich ein Paradies auf Erden, wenn ein solches möglich wäre, nicht anders vorstellen wie diesen Garten, und erklärten, daß sie keine Schönheit wüßten, die man den hier geschauten hinzufügen könnte.
Wie sie nun voller Freude hier lustwandelten, dem Gesänge der Vögel lauschten, die wohl in zwanzigerlei Weisen einen Wettstreit auszutragen schienen, und sich aus verschiedenem Laubwerk die zierlichsten Kränze wanden, wurden sie noch einen ergötzlichen Vorzug dieses Gartens gewahr, den sie bisher, von den übrigen gefesselt, unbemerkt gelassen hatten. Sie entdeckten nämlich, daß der Garten wohl hundert verschiedene Tierarten enthielt. Als erst einer den ändern aufmerksam gemacht hatte, sahen sie hier Kaninchen hervorkommen, dort Hasen laufen, hier Rehe liegen und dort junge Hirsche äsen. Außerdem nahmen sie noch viele arglose Tiere wahr, die, nahezu zahm, sich frohgemut tummelten. Und sie fanden hieran ein neues und noch größeres Vergnügen.
Als sie aber, bald das eine, bald das andere beschauend, zur Genüge umherspaziert waren, ließen sie dem schönen Wasserbecken nahe die Tafel decken und gingen, nachdem sie sechs Lieder gesungen und ein wenig getanzt hatten, wie es der Königin gefiel, zu Tische. Hier wurden sie in glänzender, schöner und gemächlicher Weise bedient, wobei die guten und auserlesenen Gerichte sie nur noch mehr erheiterten, so daß sie sich nach aufgehobener Tafel von neuem mit Spiel, Gesang und Tanz so lange ergötzten, bis die Königin der wachsenden Hitze wegen erklärte, es sei Zeit zu ruhen, und wem es gefalle, der möge so tun. Die einen gingen, die ändern, hingerissen von der Schönheit des Ortes, zogen es vor zu verweilen, um sich, während die ändern schliefen, die Zeit mit Lesen, Brett- und Schachspiel zu vertreiben. Als aber in der vierten Nachmittagsstunde aufgestanden wurde und die Schläfer sich das Gesicht mit kaltem Wasser erfrischt hatten, versammelten sich nach dem Befehl der Königin alle bei dem Springbrunnen, und, nachdem sie sich hier in der gewohnten Weise niedergelassen hatten, erwarteten sie, wie es einen jeden treffen würde, über den von der Königin gewählten Gegenstand Geschichten zu erzählen. Der erste, dem ein solcher Auftrag erteilt wurde, war Filostrato, und er begann folgendermaßen:
Erste Geschichte
Masetto von Lamporecchio stellt sich stumm und wird Gärtner in einem Nonnenkloster, dessen Bewohnerinnen um die Wette bei ihm schlafen.
Gar viele Leute gibt es, schöne Damen, Männer wie Frauen, die so töricht sind, daß sie felsenfest glauben, ein Mädchen, dem man den weißen Schleier übergehangen und die schwarze Kutte angezogen habe, höre auf, ein Weib zu sein, als ob es im Augenblick seiner Einkleidung in einen Stein verwandelt worden wäre. Vernehmen sie alsdann gegen diesen ihren Wahn irgendeine Widerrede, so erzürnen sie sich, als habe man eine ungeheure und gottvergessene Sünde gegen die Natur begangen. Dabei wollen sie weder sich selbst betrachten, wie sie, auch in voller Freiheit, ihren Lüsten nachzuleben, dennoch ihre Begierde nicht zu sättigen imstande sind, noch die große Gewalt der Muße und der Einsamkeit erwägen. Ebenso gibt es
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