Das Deutsche als Männersprache
Berufsorganisationen in aller Deutlichkeit und Detailliertheit vorgeschlagen oder vorgeschrieben werden. Wenn diese Vorschläge und Vorschriften befolgt werden, ist wenigstens linguistisch garantiert, daß das Meinen gelingen kann, daß Frauen sich wirklich angesprochen fühlen. Es gibt dann natürlich immer noch genug außersprachliche Faktoren (vor allem soziale und politische), die dem Gelingen entgegenstehen können -in dem Punkt sind Kalverkämper, Trömel-Plötz und ich uns wohl einig.
3 Zu Kalverkämpers Kritik im einzelnen
3.1 Au weia!
Gar herbe Kritik mußte sich meine Freundin und Kollegin da aber anhören! So harte Worte, daß ich mich als Sympathisantin und mitfühlender Mensch direkt selbst getroffen fühlte. »Unlinguistisch« (60) soll sie vorgegangen sein; sie redet »plakativ« (60), begeht »Mißgriffe in der Argumentation« (60) und »Methodenfehler« (62); sie »läßt Grundprinzipien der... Semantik und der Linguistik überhaupt außer acht« (62), leistet sich eine »unzulässige Verwechslung von Sexus und Genus« (62, 68), ihre Argumentation ist »willkürlich« (62, 68), und schließlich ist sie auch noch »agitatorisch« (67) und wissenschaftlich unredlich (62,68). Schlimm, schlimm!
Und nun wollen wir uns mal ansehen, was an diesen vernichtenden Vorwürfen dran ist.
3.2 Unlinguistisch?
»Unlinguistisch« nennt Kalverkämper die Kritik von Trömel-Plötz an unserem überkommenen Sprachsystem, weil sie die Arbitrarität des sprachlichen Zeichens mißachte. »Unlinguistisch« ist folglich auch, da sie von denselben Prinzipien und ähnlichen Beobachtungen ausgeht und dieselben Ziele verfolgt, die gesamte von Linguistinnen und Linguisten geleistete neuere Forschung zum Thema Sexismus und Sprache, die inzwischen eine kleine Bibliothek füllt.
Ich wünschte, ich wüßte so genau wie anscheinend Kalverkämper, was linguistisch ist und was nicht. Sprache hat so viele Eigenschaften und Funktionen, daß mir der pluralistische Ansatz zu ihrer Erforschung der einzig angemessene scheint. Die Sozio-, Psycho- und Ethnologie interessiert sich mit Recht für Sprache, und daher gibt es die Sozio-, Psycho- und Ethnolinguistik- Disziplinen, von deren Forschungsergebnissen die »reine Linguistik« nur profitieren kann. Vielleicht bekommen wir demnächst noch Astro-, Bio-, Etho- 7 , Geo- und Theolinguistik hinzu — ich wäre gespannt, was sie mir Neues zu sagen hätten. Eine feministische Linguistik aber haben wir offenbar schon seit einiger Zeit (grob: seit 1970). Sie scheint kräftig zu gedeihen und sich nicht darum zu scheren, daß Kalverkämper sie »unlinguistisch« schilt. Ob er es weiß oder nicht: Sie nimmt bei großen amerikanischen Linguistikkongressen einen immer breiteren Raum ein (vgl. Trömel-Plötz 1979).
Was nun das ehrwürdige Dogma von der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens betrifft, so wurde ich schon als Kind eines Besseren belehrt, als mann mir erklärte, Herren seien herrlich und Damen dämlich. Damals hätte ich das Dogma gern parat gehabt, um mich zu wehren.
De Saussure, der Vater des Dogmas, ist übrigens viel weniger dogmatisch als Kalverkämper. Er sagt folgendes:
Das Band, welches das Bezeichnete mit der Bezeichnung verknüpft, ist beliebig; [...] So ist die Vorstellung »Schwester« 8 durch keinerlei innere Beziehung mit der Lautfolge Schwester verbunden, die ihr als Bezeichnung dient; sie könnte ebensowohl dargestellt sein durch irgendeine andere Lautfolge. [...] das Bezeichnete »Ochs« hat auf dieser Seite der Grenze als Bezeichnung o-k-s, auf jener Seite b-ö-f (bœuf). (79)
An diesen Feststellungen habe auch ich bis vor kurzem nicht gezweifelt (sie berühren im übrigen das, was Trömel-Plötz und die gesamte feministische Linguistik will, überhaupt nicht, wie ich weiter unten zeigen werde). Aber im Juni 1979 habe ich zwei interessante Vorträge von J. R. Ross gehört: »Grenzen der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens« und »Le signe n’est pas arbitraire«. Auf den Befunden von Cooper und Ross 1975 aufbauend, hat Ross (auch ein »Unlinguist«?) da, mit streng linguistischen Mitteln, ganz andere Ergebnisse als de Saussure zutage gefördert. Nach seinen Untersuchungen scheint etwa die Vorstellung »ich« nicht ohne Grund gerade durch die Lautfolge ich bezeichnet zu werden. Der Trick bei Ross’ Überlegungen ist, daß er ich nicht mit I, je, io, jeg, ego etc. vergleicht, sondern mit du, I mit you und so fort. Ross geht sogar so weit, einen »Sounder« im
Weitere Kostenlose Bücher