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0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

Titel: 0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Nein, ich hatte keine gute Laune, und zum erstenmal, seit ich Beamter des FBI bin, war ich auf meinem Chef, Mr. High, ein wenig böse ob des Jobs, auf den er Phil und mich angesetzt hatte. Ich habe Mörder, Falschmünzer, Bankräuber, Goldmacher, Erpresser und gemeingefährliche Verrückte gejagt. Ich bin für das FBI durch die Urwälder des Amazonas gekrochen und habe mir für ihn die Nasenspitze in Kanadas Winter anfrieren lassen. Alles schön und gut, und ich hab’s gern gemacht, aber dieser Job hier, nein, der gefiel mir nicht.
    Phil hatte nicht so viel dagegen. Wenigstens grinste er über unsere neue Arbeit, aber Phil stammt selbst aus einer gebildeten Familie mit viel Geld, und daher hat er wahrscheinlich den Sinn für Leute, die nicht wissen, was sie mit ihrem Money anfangen sollen. Wenn er wollte, traf er genau den Tonfall der Leute, deren Spuren wir in Mr. Highs Auftrag verfolgten, und es schien ihm sogar Spaß zu machen. Ich traf diesen Tonfall nicht, und wann immer ich mit den Leuten aus den einschlägigen Kreisen sprach, schienen sie mir einfach einen ganz schönen Spleen zu haben.
    Lesen Sie bitte in der Statistik nach, wie viel Morde in New York täglich passieren. Es sind nicht wenige. Selbstmorde kommen noch häufiger vor, und die Gründe, warum es den Leuten in dieser Welt nicht mehr gefiel, reichen von dem Griff in die Portokasse bis zum abschlägigen Bescheid einer angebeteten Dame.
    Genau um Selbstmorde ging es in diesem Fall. Ich sollte mich dafür interessieren, warum ein paar Leute den Gashahn aufgedreht, Blausäure getrunken oder sich erschossen haben.
    Ich werde es Ihnen erzählen müssen, warum es Mr. High so merkwürdig erschien, daß fünf Leute in einem Zeitraum von kaum drei Monaten Selbstmord begingen. Zu Ihrer Information: Im selben Zeitraum starben in New York hundertdreiundvierzig Leute von eigener Hand, aber nur bei fünf von ihnen kam es dem Chef seltsam vor.
    Den Anfang machte ein alter Herr, ein so alter Herr, daß er es sicher nicht selber hätte zu tun brauchen, wenn er nur noch ein wenig Geduld gehabt hätte. Er hieß Barrymore Maine, und wenn es in den USA einen Adel gäbe, dann wäre Mr. Maine mindestens Graf gewesen. Er gehörte zur ersten Gesellschaft von New York. Seine Vorfahren waren schon mit der ›Mayflower‹ nach Amerika gekommen, und sein Großvater war Gouverneur und Korpsführer im Bürgerkrieg gewesen. Barrymore erbte Grundstücke und Aktien und hatte nie in seinem Leben eine Hand rühren müssen, was er auch sorgfältig vermied. Im Gegensatz zu unseren Wirtschaftskapitänen dachte er gar nicht daran, aus einer ererbten Million drei oder vier zu machen, sondern er lebte der Wissenschaft und den schönen Künsten, reiste viel, trieb sich in Indien, Afrika und Ostasien herum, verkehrte mit Dichtern und sonstigen seltsamen Zeitgenossen und wurde alt, ohne geheiratet zu haben.
    Seine letzten Jahre verbrachte er in New York. Eines Nachts, punkt Mitternacht wahrscheinlich, ging er in die Küche seines Hauses, die er sonst nie zu betreten pflegte, denn dazu war er viel zu vornehm, schloß Fenster und Türen und drehte den Gashahn auf, ohne die Flammen anzuzünden. Seine Köchin fand ihn am anderen Morgen, als sie herunterkam, um sein Frühstück zu bereiten, aber zu diesem Zeitpunkt war er schon tot.
    Haupterbe wurde sein einziger Neffe. Er erhielt den ganzen Maineschen Familienbesitz, abzüglich einiger Legate, die Mr. Maine in Höhe von je etwa zehntausend Dollar seinen verschiedenen Klubs vermacht hatte.
    Die Polizei sah sich den Neffen natürlich an, aber er war ein hochachtbarer Mann, dem nichts nachzuweisen war. Er strengte eine Reihe Prozesse an, um das Auszahlen der Legate zu sparen, aber er verlor sie, und dem alten Barrymore Maine wurde in dem einen oder anderen Klub eine Büste errichtet als edlem Förderer und Stifter.
    Ich kannte Jennifer Bend nicht persönlich, und alles, was ich über sie weiß, weiß ich nur aus den Akten. Miss Jennifer war so etwas wie ein armes Gänseblümchen im Großstadtdschungel, ein Mädchen, dem das Schicksal so ziemlich alles versagt hatte, was man sich denken kann. Sie war dünn und knochig. Sie trug eine dicke Hornbrille, hinter der hilflose runde Augen in die rauhe Welt blickten.
    Von Beruf war Miss Bend Bibliothekarin in der Nationalbücherei. Obwohl sie erst sechsundzwanzig Jahre zählte, pfiff nie ein Mann hinter ihr her.
    Alles, was Jennifer Bend besaß, war ein Sparbuch über achttausend Dollar, denn ihr großes Ziel

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