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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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konnte nicht. Und dann sind die Angriffe wieder losgegangen, und das Schreien hat aufgehört.«
    Lilli schwieg. Schambacher lauschte an der Tür zur Kirche und erinnerte sich gleichzeitig daran, wie es im Krieg gewesen war.
    »Das ist jedem passiert«, sagte er plötzlich leise, »jedem von uns. Manche sind verrückt geworden dabei.«
    Lilli schwieg immer noch. Sie versuchte sich vorzustellen, wie das gewesen sein musste. Sie konnte es nicht. Nicht einmal hier in dieser Kirche, wo vorhin geschossen worden war. Es war ja Wilhelm gewesen, der geschossen hatte, und irgendwie konnte man es verstehen. Es war nicht wie ein Krieg.
    »Hast du deshalb nie mehr mit mir geredet?«, fragte sie mit erstickter Stimme. Sie wusste nicht, ob vor Wut oder Hass oder Trauer.
    »Ja«, sagte Paul nach einer Weile leise, »ich habe immer gedacht, ich hätte dir den Bruder genommen.«
    »O Gott!«, sagte Lilli erschüttert. War Paul an Wilhelms Gesicht schuld? Paul, den sie immer geliebt hatte?
    »O Gott, Paul!«, sagte sie noch einmal und konnte nichts dagegen tun, dass die Tränen wieder kamen. In diesem Augenblick krachten Schüsse in der Kirche. Zwei-, drei-, viermal wurde geschossen.
    »Das sind zwei Pistolen!«, sagte Schambacher heiser. »Das ist ein Gefecht! Alle runter!«, befahl er. »Von den Türen weg!«
    Die Schüsse verhallten.
    »Was war das?«, fragte Lilli, »was ist passiert?«
    Schambacher hatte keine Ahnung.
    »Vielleicht hat einer der Kollegen auf ihn geschossen«, flüsterte er zurück.
    Sie lauschten. Alle waren bis aufs Äußerste gespannt. Auf einmal hörte man von draußen, wie es laut wurde. Es gab Tumult, Autos sprangen an, das Martinshorn begann zu heulen.
    »Was ist los?«, fragte Schambacher wütend. Er konnte sich keinen Reim auf die Geräusche machen. Er hörte Rufe, Schritte, Laufschritte von schweren Stiefeln in der Kirche.
    »Sie haben ihn!«, sagte Paul.
    Jemand steckte einen Schlüssel in das Schloss.
    »Ernst?«, rief es von außen. »Ernst, ist alles klar da drin?«
    Togotzes!, dachte Schambacher erlöst. Gott sei Dank, Togotzes.
    Die Tür wurde aufgeschlossen. Das Licht vieler Taschenlampen blendete. Auf einmal waren überall Polizisten. Dann betätigte jemand den Lichtschalter. Zwei Herren halfen Lilli auf.
    »Allet jut, Frollein?«, wurde sie in besorgtem Berlinerisch gefragt. Sie nickte.
    »Wo ist er?«, fragte Schambacher seinen Kollegen. In der Kirche selbst war es noch immer dunkel.
    »Tot«, sagte Togotzes und deutete auf den Körper, der, die Pistole noch in der Hand, aufs Gesicht gefallen war, die Beine in einem letzten Krampf angezogen. Eine Blutlache hatte sich um ihn ausgebreitet. Lilli sah hinüber und wusste nicht, was sie fühlen sollte. Sie war ausgebrannt. Sie spürte sich nicht mehr und auch nichts anderes. Es war, als hätte sie heute alles verloren.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Schambacher. »Was ist mit meinen Schupos?«
    Togotzes verzog das Gesicht.
    »Der eine hat euch gerettet«, sagte er. »War schwer verletzt, aber hat den Mann erschossen, als er euch eingesperrt hatte und dann wieder in die Kirche kam. Ich denke, der Verrückte wollte die Schupos endgültig fertigmachen und dann abhauen. Der verwundete Kollege hat den Kameraden noch rausgeschleift, obwohl er selber geblutet hat wie’n Schwein.«
    Schambacher setzte sich auf eine Kirchenbank. Seine Knie zitterten. Er sah zu Lilli hinüber, die sich ebenfalls gesetzt hatte. Der Polizeiarzt redete auf sie ein, aber sie schien gar nicht zuzuhören. Schambacher wusste nicht, ob er zu ihr gehen sollte. Ein Stück weiter weg saß Paul van der Laan. Er musste ihn noch fragen, wieso sein Anhänger bei der Leiche gewesen war, machte er sich im Geist eine Notiz. Dann dachte er wieder an die Polizisten.
    »Was ist mit dem anderen?«, fragte Schambacher schuldbewusst.
    »Keine Ahnung, er war bewusstlos«, sagte Togotzes schulterzuckend, »wird vielleicht wieder, Ernst.«
    »Und der verwundete Schupo?«, fragte Schambacher weiter. »Schwer verletzt?«
    Togotzes nickte bedrückt.
    »Ja«, sagte er, »dieses Schwein hat ihm das halbe Gesicht weggeschossen. Er hat kaum reden können … gerade noch, dass ihr da hinten eingeschlossen wart.«
    Schambacher machte für einen Moment die Augen zu. Gott, dachte er, ins Gesicht. Er sah hinüber zu Kornfelds Leiche. Und dann sah er es.
    »Verflucht«, sagte er durch die Zähne, sprang auf und rannte zu dem Toten. Neben ihm lagen vier, fünf Skatkarten, die ihm aus der Tasche gerutscht waren.

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