Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
Vom Netzwerk:
fast zärtlich in den Arm. Aber dann hob er die Pistole an ihren Kopf. Paul schrie auf und wollte auf Wilhelm losstürzen. Schambacher biss sich auf die Zunge. Was für ein Idiot er war! Angst schoss in ihm hoch. Bis jetzt war alles gefährlich gewesen, alles Kampf, aber noch unter Kontrolle. Jetzt kam die Panik.
    »Nimmst du jetzt die Pistole runter?«, fragte Wilhelm gurgelnd.
    Ohne Zögern legte Schambacher sie auf den Boden.
    »Kornfeld!«, sagte er mit schwankender Stimme. »Sie waren doch Soldat. Das ist … seien Sie fair. Das ist … Ihre Schwester.«
    Von draußen hörte man zwei schwere Autos anfahren und vor der Kirche anhalten. Dann drangen Rufe und Befehle nach innen.
    »Sie gehen ans Fenster«, befahl Wilhelm Schambacher, »und sagen Ihren Kollegen, dass niemand hier hereinkommt, weil es sonst Tote gibt. Und bleiben Sie in meinem Sichtfeld.«
    Lilli spürte, wie locker Wilhelm sie hielt. Aber sie traute sich nicht, den Versuch zu unternehmen, sich ihm zu entwinden. Sie wusste nicht, was passieren würde. Sie musste immer an das Huhn denken, das er damals geköpft hatte, und wie es kopflos über den Rasen gelaufen war. Ihr wurde schlecht.
    »Wilhelm«, flüsterte sie, »tu mir nichts! Tu mir nichts!«
    »Scht«, machte Wilhelm in dem Ton, den sie aus ihren kindlichen Nachtgesprächen kannte, ein beruhigendes Geräusch, das hier so völlig falsch klang. Lilli beobachtete, wie Schambacher ganz ruhig zu einem der Fenster ging, es öffnete und mit den Polizisten draußen redete.
    »Sie werden nicht hereinkommen«, sagte Schambacher, als er sich umdrehte. Lilli glaubte ihm nicht. Wilhelm auch nicht.
    »Alle hierher«, sagte er und deutete mit der Pistole auf den Altar. Er selbst ging langsam rückwärts, Lilli fest im Griff, bis er die Wand des Chores im Rücken hatte. Hier konnte man ihn von kaum einem Fenster sehen. Er bedeutete Paul, von Schubert und Schambacher, sich auf den Teppich vor dem Altar zu setzen. Die Kerzen beschienen die drei Männer mit einem sanften Licht. Am Kreuz schimmerten die Wundmale Christi rot.
    Von Schubert sagte mit rauer Stimme:
    »Wenn Sie aufgeben, Kronacher, kann ich etwas für Sie tun. Wir finden eine elegante Lösung.«
    Er sagt wirklich »elegant«, dachte Lilli, er sagt es und meint es.
    »Es gibt keine Lösungen mehr«, antwortete Wilhelm. »die Lösungen sind vorbei. Ich werde hier sterben, und das wissen wir alle.«
    Die anderen sahen ihn überrascht an. Lilli nicht. Sie spürte die Mündung der Pistole an ihrem Kopf und Wilhelms Arm um ihre Hüften. Der Arm fühlte sich so an, wie er sich früher in tausend Spielen angefühlt hatte. Die Pistole fühlte sich an, als ob ihr Leben zu Ende wäre.
    »Die Frage ist nur«, sagte Wilhelm gurgelnd, »wer von Euch zusammen mit mir sterben wird.«
    »Was ist mit dir, Paul?«, fragte er dann mit etwas lauterer Stimme. »Du schuldest mir einen Tod, oder?«
    Lilli sah zu Paul hin. Alle fuhren zusammen, als der verletzte Polizist im Eingang wieder aufbrüllte und dann wimmerte.
    »Ja«, sagte Wilhelm, »so war es damals, weißt du noch?«
    Paul drehte sich zu Wilhelm und sah ihm ins Gesicht.
    »Ich konnte dich nicht holen«, sagte er hilflos, »ich … da war Sperrfeuer.«
    Lilli spürte, wie der Arm um ihre Hüfte sich anspannte.
    »Andere sind raus«, sagte Wilhelm leise und voller Hass, »aber ich lag da. Ich hatte nur einen Beinschuss. Andere sind heraus und haben ihre Kameraden geholt. Nicht mal ihre besten Freunde. Nur Kameraden. Ich war nur am Bein getroffen, ich konnte nur nicht gehen. Wenn du mich geholt hättest, dann wäre das nie passiert.« Er deutete mit dem Lauf der Pistole kurz auf sein Gesicht.
    Er richtete die Waffe auf Paul. Lilli wollte schreien, aber Wilhelm hatte ihr die Hand brutal auf den Mund gelegt. Da stand Paul auf.
    »Ja«, sagte er langsam, und Lilli hörte seiner Stimme an, dass er zitterte, »das stimmt. Ich war feige. Ich hätte versuchen sollen, dich zu holen. Ich habe später immer gedacht, dass es meine Schuld war, dass du gestorben bist. Weil ich zu feige war, noch einmal aus dem Graben zu gehen.«
    Lilli schüttete wild den Kopf, um sich von Wilhelms Hand zu befreien.
    »Ist das wahr?«, fragte sie Paul.
    Paul sah sie an. Eine tiefe, hoffnungslose Traurigkeit lag in seinem Gesicht.
    »Ja«, sagte er dann, »ich bin nicht noch einmal raus. Ich hätte es tun können, aber ich … ich wollte leben.«
    Wilhelm lachte böse.
    »Ja. Ich auch.«
    Schambacher beobachtete ihn genau. Er war noch immer hoch

Weitere Kostenlose Bücher