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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein Loch in die Stirn?«
    »Ich habe meine Befehle, Sir.«
    Miller schnallte sein Koppel, an dem die Pistolentasche hing, ab und warf es dem Posten zu. Dann durfte er eintreten, kam in eine Art Vorraum und sah eine offene Tür an der linken Seite. Da niemand im Raum war, ging er weiter und betrat den zweiten Raum. Hier saß General Jack Orwell hinter einem Tisch und winkte Miller freundlich zu.
    »Kommen Sie näher, Bob! Was macht Alaska?«
    Miller nahm die Mütze ab und klemmte sie unter den Arm. Er blieb im Raum stehen wie ein Klotz. Blondhaarig, mit wasserblauen Augen, 1,89 Meter groß, ein bis in die letzte Muskel durchtrainierter Körper, an dem es kein Gramm Fett, nur festes Fleisch gab. Das Auffallendste aber an ihm waren immer wieder seine Augen. Es gab Momente, in denen sie erregt blitzen konnten, meist aber lag ein Schimmer von Melancholie in seinem Blick, ein Hauch greifbarer Romantik, die vor allem bei den Frauen, wenn sie diese Augen sahen, unwiderstehliche Gefühle von hingebender Bereitschaft auslösten. Bob Millers Kameraden lehnten es deshalb ab, ihm ihre Freundinnen vorzustellen. Es gab dann immer Krach, weil die Mädchen permanent von Bob zu schwärmen begannen und die Liebe einen Riß bekam. Auch jetzt sah er General Orwell mit großen, verträumten Kinderaugen an. Aber das täuschte nur … Orwell kannte Bob zu lange und zu gut.
    »Was Alaska macht? Das wissen Sie doch am besten, Sir«, sagte Bob knapp. »Sie haben vor vier Tagen noch in Kwigillingok zu uns gesprochen.«
    »Vier Tage können eine Welt verändern, Bob. Und es hat sich viel verändert.«
    »Hier in Fort Thompson?«
    »Das ist nur ein Name. Es hätte auch Oak Creek sein können. Bob, wir sind hier in die Arschfalte der Welt geflogen, eine Handvoll Männer, weil mir selbst unser Lager in Alaska nicht sicher genug war. Ich habe eine heiße Sache mit Ihnen vor, und was Sie auch tun werden, hinter Ihnen stehen Washington, das Pentagon, die gesamte Nation. Klingt das gut, Bob?«
    »Noch ist es rätselhaft, Sir.«
    »Fangen wir also mit Bekanntem an.«
    General Orwell lehnte sich zurück, wies auf einen Korbsessel neben sich, holte aus einer Militärkiste eine Flasche Whisky und zwei Gläser und schüttete die Gläser voll. Bob Miller setzte sich, stellte aber das Glas nur auf seine Knie und trank nicht.
    »Keinen Durst?« fragte Orwell.
    »Ungewohnt. Ich habe fast zwei Jahre lang nur russisches Zeug getrunken – Wodka, Krimsekt, grusinischen Kognak, Wein aus Astrachan, Karawanentee vom Amur, mit Honig gesüßt. Ich dachte, Sir, es gibt für mich keinen Whisky mehr.«
    »Jetzt wieder, Bob.« Orwell trank sein Glas in einem Zug leer. »Das ist das Verrückte bei dieser Sache: Wir müssen aus Ihnen zwei Menschen machen. Eine perfekte Schizophrenie. In Smolenska haben wir Sie zum vollkommenen Russen erzogen … jetzt ist es notwendig, daß Sie wieder entdecken, ein perfekter Amerikaner zu sein. Und das, ohne zu vergessen, daß Sie auch ein perfekter Russe sind. Ist das klar?«
    »Nein, Sir.« Bob Miller roch an dem Whisky, überwand sich sichtlich und trank einen Schluck. Wie gründlich man sich von bestimmten Dingen entwöhnen kann, dachte er. Da hat man in Alaska, im Seengebiet von Kwigillingok an der Kuskokwim Bay, mit Blick auf das Beringmeer, sozusagen an der Schwanzspitze der Welt, in einer streng geheimen, künstlich bis ins letzte Detail aufgebauten russischen Stadt, die man Smolenska nannte, zwei Jahre lang gelebt und ist tatsächlich das geworden, was Psychologen und Verhaltensforscher sich ausgeklügelt haben: ein vollkommener Russe.
    Man hat Schach gespielt, hat in der Banja geschwitzt, jeden Sonnabend im Parteihaus eine Versammlung besucht, den 1. Mai gefeiert und die Oktoberrevolution … man hat als Traktorist gefällte Bäume transportiert oder Seeufer ausgekoffert, und man hat ein Mädchen im Bett gehabt, das Galina Adamowna hieß und in der Blumenzucht arbeitete. Ein süßes, zärtliches Ding mit einer piepsenden Stimme, wenn sie voll und ganz bei der Sache war, und man hat am Ufer eines Sees gelegen, der Jelanskaja hieß, hat über Puschkin und Jewtuschenko gesprochen und über den großen Traum, einmal im Bolschoi-Theater ›Schwanensee‹ zu sehen.
    Da waren aber auch die harten Wochen im Steinbruch und im Eis gewesen, das Überlebenkönnen mit den bloßen Händen, das Sichdurchschlagen aus urweltlichen Gegenden, das Ertragen bestialischer asiatischer Foltern und das Hungern und Dürsten, bis man die Bäume annagte und

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