Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
an krummen Stangen die Netze zum Trocknen aufgespannt sind. Um den Marktplatz herum gibt es ein paar Cafés, die sich – dem neuen Trend nachkommend – sogar ›Bar‹ nennen, denn – zum Erstaunen der Amasrer – kommen sogar manchmal Fremde in diesen Ort, vielleicht, weil er auf den Autokarten steht und am Meer liegt. Das reizt immer. Der Sand ist weiß, gewiß, man hat hier seine Ruhe, und eine Moschee mit einem schlanken Minarett ist auch vorhanden, und der Muezzin singt noch selbst von der Galerie des Minaretts seine Suren über die hingeduckten Häuser und stellt nicht, wie anderswo, ein Tonband an. Ein dicker Hauch orientalischer Romantik liegt über Amasra. Es laufen sogar noch – vereinzelt – verschleierte Frauen herum, trotz der Revolution des Atatürk und seiner Emanzipationsbewegung. Irgendwie ist die Zeit hier stehengeblieben, aber man ist zufrieden, lebt sorglos, ernährt sich aus dem Meer oder von den dämlichen Fremden, die ohne zu feilschen alles bezahlen, was man verlangt. Allah beschütze die Dummen … sie ernähren die Wissenden.
    Dennoch fiel es auf, als eines Tages mit einem klapprigen Lastwagen von Zonguldak, der nächsten größeren Stadt am Schwarzen Meer, sieben Fremde, der Sprache nach Amerikaner, in Amasra Station machten und bei Yegi Gerylgüü fünf Zimmer mieteten. Gerylgüü hatte das, was man in Amasra ein Hotel nennt. Es lag am Strand und war berühmt für sein Schmalzgebäck mit Honigfüllung.
    Die Fremden, das sprach sich sofort herum, waren Profis, sie handelten drei Stunden lang die Zimmerpreise aus, bis der Polizeichef von Amasra erschien (das war fast eine Sensation), dem Feilschen ein Ende machte und Gerylgüü einen verdammten Preis befahl.
    »Es liegt im Interesse der Allgemeinheit!« sagte er. »Außerdem vergiß nicht, Yegi, daß ich nie gesehen habe, wie du Schnaps in Teetassen ausgeschenkt hast …«
    Die sieben Amerikaner blieben vier Tage in Amasra und erhielten viel Besuch von Unbekannten, die mit dicken Autos anreisten, sogar aus Ankara. Dann tauchte eines Abends ein fremdes Fischerboot auf, größer, als die Boote von Amasra, mit einem stärkeren Motor. Man hörte es gleich am Ton: hochbordiger, seetüchtiger, so ein Kahn, der tagelang auch bei hoher See auf dem Meer bleiben kann. Er ankerte draußen im tiefen Wasser und ließ sich bestaunen. In der Nacht ruderte einer der Amerikaner ganz allein in einem flachen Holzboot zu dem Schiff hinaus und wurde samt Boot an Bord geholt. Und noch in dieser Nacht fuhr das Schiff fort, in die Weite des Schwarzen Meeres.
    Am nächsten Tag verließen auch die übrigen sechs Amerikaner den kleinen Ort, der Muezzin brüllte ihnen die Suren des 2. Gebetes nach, und zwei Tage später hatte man den Besuch vergessen bis auf Gerylgüü, den Hotelier, zu dem der Polizeichef sagte: »Wenn du ein Wort über diese Sache sprichst, lasse ich dich wie einen Eunuchen kastrieren!« Für einen Moslem gibt es nichts Schauerlicheres.
    Das Fischerboot nahm schnelle Fahrt nach Norden auf, zur russischen Küste mit dem Ziel Odessa-Bucht. Bob Miller lehnte an der Reling und blickte zurück zur türkischen Küste. Ein merkwürdig kaltes Gefühl hatte von ihm Besitz ergriffen. Kein gedankenvoller Abschied, keine untergründige Lebensangst, nicht einmal sich überschlagende Vorstellungen von der Zukunft. Es war wie in Alaska, in dem Ausbildungslager Smolenska, wenn er bis zum Kopf in die Erde gegraben worden war und man ihm stundenlang Wasser über den Kopf schüttete, bis er meinte, jetzt müsse er zerplatzen. Dann konnte er abschalten, das hatte er gelernt – dann atmete er nur noch, ein Blasebalg ohne Gefühle.
    In seinem wasserdichten Gepäck lagen die Uniform eines sowjetischen Majors, eine Tokarew-Pistole, ein Kästchen mit Plastiksprengstoff, sowjetische Militärpapiere und Ausweise, ausgefüllte und gestempelte Reisebefehle, Sondervollmachten des Zentralbüros des KGB in Moskau … und eine hochwirksame Gelatinekapsel mit Gift. Wenn er diese Uniform anzog, gab es keinen Bob Miller mehr. Dann hieß er Major Wassja Grigorjewitsch Shukow, 33 Jahre alt, Inspekteur des KGB im Sonderauftrag. Kein Russe würde wagen, das anzuzweifeln. Eine Uniform war heute so unantastbar wie früher das Phelonion, der goldbestickte Schulterumhang des Popen.
    Bob Miller griff in die Hosentasche, zog eine zerknitterte Packung Zigaretten heraus und steckte sich eine an. Dann setzte er sich auf eine Taurolle und blickte über das von einem fahlen Mond beleuchtete

Weitere Kostenlose Bücher