Das Doppelspiel
rauchte zwei Zigaretten, schirmte den kleinen glimmenden Glutpunkt in der hohlen Hand ab, und betrachtete dabei das Pflaster, das er sich nach einer Einpinselung mit Jod auf die Bißwunde hatte kleben müssen. Dunjas spitze Zähne, die sich in seinen Handballen gehackt hatten, waren tatsächlich wie der Zugriff eines kleinen Raubtieres gewesen.
Was tue ich, wenn Dunja mich belogen hat?, dachte Bob zum wiederholten Male. Wenn Orwells dämliches Jucken in der Herzgegend recht hat? Wenn hinter Dunja ein ganzer, perfekt funktionierender Apparat des KGB steckt, ein Nachrichtenring mit Agentenführer und V-Männern? Die Anwesenheit Plenjakows konnte darauf hindeuten: Es war kein Zufall, daß Moskaus bester Mann gerade mit Norma Taylor in Los Alamos arbeitete und eigentlich alles so ablief, wie es in Winniza trainiert worden war bis zur Perfektion. Die Milchbar, das süße, vollbusige Mädel an den Mixgeräten … und ein John Barryl, der für die Milchbar das Stärkungsmittel Bio-Jet lieferte und sich überall ins Vertrauen einlachte mit seinen Witzen unter der Gürtellinie. Mit solch einfachen Tricks war am besten vorwärtszukommen. Welcher Mann schließt nicht sofort innigen seelenverwandten Kontakt mit einem anderen Kumpel, der ein paar neue Bumsvarianten auf Lager hat?
Was tue ich bloß, dachte Bob Miller immer wieder. Plenjakow, das Problem ist klar. Wenn er mich als Amerikaner erkennt, wird er sofort wieder ein so vollkommener Russe sein, daß unsere Freundschaft sich in einer Explosion auflöst. Er wird ein Gegner sein … aber Dunja?
Bob betrachtete wieder das Pflaster auf seiner Handfläche und dachte an das große Bißmal in seiner Halsbeuge. Sein Rücken war mit blutigen Striemen überzogen, als habe man ihn mit einer nägelbespickten Nagaika geschlagen … er hatte am Morgen einen zweiten Handspiegel genommen und damit seinen Rücken im großen Gegenspiegel des Badezimmers abgetastet. Man sah genau die Kratzlinien, die Dunjas Nägel gezogen hatten. Ein Schnittmuster der Leidenschaft.
War das alles Lüge? Nur ein vulkanischer Augenblick? War sie gleich, wenn sie sich zu dritt gegenüberstanden und die Masken abwarfen, genau wie Plenjakow nur noch ein Russe? Oder hatte sie sich wirklich ganz in Bob Miller verkrochen, wie sie es mit heißem Atem in sein Gesicht gestammelt hatte?
Ich lebe nicht mehr … ich bin nur noch du …
Bob zerdrückte die Zigarette an einem Felsen. Von weitem hörte er Motorengeräusch. Es kam von der schmalen Zufahrt zur Schlucht her, und wenn es kein Liebespaar war, noch neu in Los Alamos, konnte es sich nur um Plenjakow handeln. Dunja kam bestimmt mit ihrem Moped. Auch das war eine gute Tarnung. Das kleine Milchbarmädchen, das sich an die Sonne arbeiten will. Aus eigener Kraft, nicht auf den Matratzen der Männer. Eine Self-made-Miß! Dazu noch Mitglied in der aggressiven Frauenliga. Die Schülerin von Winniza hatte das Prädikat lobenswert verdient.
Bob stand auf und ging hinter dem Baum in Deckung. Ein alter VW-Käfer klapperte in das Tal und hielt seitlich vom Eingang. Ein Mann stieg aus und sah sich suchend um. Er wirkte wie ein Tankwart, der von der Arbeit kommt. Blauer Overall, ein zerbeulter Stentonhut, halbhohe Stiefel, in denen die Overallbeine steckten. Ein Feiertagsamerikaner bester Sorte.
»Wir sind allein, Andrej Nikolajewitsch«, sagte Bob hinter seiner Tanne. Plenjakow fuhr herum wie auf einem Schleuderbrett, ließ sich gleichzeitig auf die Erde fallen und hielt auch, unbegreiflich, woher er ihn so schnell gezogen hatte, einen Trommelrevolver in der Hand. Die Nachtschatten der Felsen deckten ihn auf dem Steinboden zu. Bob nickte zufrieden.
»Verlernt hast du nichts, Brüderchen«, sagte er gemütlich. »Immer noch die Blitzreaktionen. Weißt du noch, wie wir uns in Frazertown, bis zum Kragenknopf voll Wut und Eifersucht, ruckzuck in den Hintern treten wollten und unsere Füße in der Mitte zusammenprallten, weil wir beide gleich schnell waren und auch den gleichen Gedanken hatten?«
Plenjakow erhob sich aus dem schützenden Schatten. Auch Bob kam hinter seinem Baum hervor. Sie gingen mit ausgebreiteten Armen aufeinander zu, und jetzt konnten sie sich endlich nach russischer Art auf die Wangen küssen und sich wie Brüder umarmen.
»Ich habe nie einen Freund wie dich gehabt, Wassja«, sagte Plenjakow gerührt. »Und es wird auch nie wieder so einen geben.«
»Das glaube ich auch nicht, Andrej.« Bob löste sich aus Plenjakows Umarmung. »Hätten wir uns bloß
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