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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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anerkannt. Sie war nie Dunja Andrejewna, sie wird nie verhört werden. Sie ist die Barmixerin aus der Kantine II von Los Alamos, geboren in Texas. Sie weiß von gar nichts –«
    »Bob! Sie wollen mich und den CIA erpressen?«
    »Ich schlage einen Tausch vor, Sir.« Bobs Stimme war ganz klar und ruhig. »So, wie Sie Ben Lauritz in Rußland für mich geopfert haben, und wie Ben in Kürze heimlich ausgetauscht wird, so tausche ich Dunja Andrejewna gegen Andrej Nikolajewitsch Plenjakow. Sir, unterhalten wir uns doch nicht über die Praktiken unserer Dienste. Wir kennen sie doch bis zum letzten Komma.«
    »Ich könnte Sie jetzt verhaften lassen, Bob. Wissen Sie das?«
    »Und Plenjakow bekämen Sie nie! Er hat Informationen von unseren neuen Versuchen, die Raumraketen mit eigenen Atomspaltungslabors auszurüsten … Das wissen nicht einmal Sie!«
    Orwell schwieg eine Weile und schnaufte heftig ins Telefon. Er war jetzt gezwungen, eindeutig Kompetenzen zu überschreiten, aber die Zeit drängte. Was Bob andeutete, war – wenn Moskau es durch Plenjakow erfuhr – wirklich eine nicht nur nationale, sondern eine weltweite Katastrophe.
    »Heiraten Sie Dunja«, sagte Orwell endlich. »Aber den Uniformrock müssen Sie dann wirklich ausziehen, Bob.«
    »Ich sagte es Ihnen schon, Sir. Mir ist das völlig klar.«
    »Wann liefern Sie Plenjakow?«
    »Morgen gegen Mitternacht.«
    »In Los Alamos?«
    »Bei Los Alamos.«
    »Noch diese Nacht fliegt Verstärkung zu Ihnen, Bob.«
    »Bitte nicht, Sir.« Miller schüttelte den Kopf, obgleich Orwell das ja nicht sehen konnte. »Lassen Sie mich das allein durchstehen. Das muß ich allein machen. Andrej Nikolajewitsch ist wirklich mein bester Freund …«
    Das ›Tal der neun Tannen‹ ist kein Ort wie aus einem Schauerbuch, auch wenn der Name nach Verruchtheit, Geheimnissen, Gespenstern, flatternden Nerven, zumindest aber nach wildwestlicher Romantik klingt. Irgendeiner, der hier mal ein nettes Mädchen auf den Rücken gelegt haben soll – so wenigstens erzählte man in Los Alamos –, habe das Felsental mit der Baumgruppe so hochtrabend benannt. Und weil das Mädchen besonders gut im Rhythmus gewesen sein mochte, hatte der Schwärmer auch noch übersehen, daß die neun Tannen nur acht Tannen waren und außerdem so vertrocknet und verstaubt, so verzweifelt in den Felsboden hineingewachsen und sich dort festkrallend, daß man Mitleid mit den acht armseligen Bäumchen haben mußte. Weniger nüchterne Menschen als die Amerikaner, etwa Deutsche aus dem Schwarzwald, hätten längst eine dünne Wasserleitung dahin verlegt, um die mutigen Tännchen nicht völlig auf die seltene Gnade des Himmels angewiesen sein zu lassen. Wann regnete es schon mal so richtig in Los Alamos, daß sich die acht einsamen Gewächse in diesem Tal vollsaugen konnten?
    Auch als Liebesspielplatz hatten die neun Tannen ihre Bedeutung verloren. Nicht weil sie nicht einsam genug lagen – darüber konnte sich keiner beklagen –, es gab einmal einen wahren Run auf diese Schlucht, alles, was jung war in Los Alamos oder sich noch jung genug dünkte (sogar Großväter mit ihren im Enkelalter seufzenden Sekretärinnen waren darunter), fuhr zu den neun Tannen, parkte – wie gesagt, das Tal ist eng – im Kreis und neben- und hintereinander wie in einem Autokino, nur daß die bewegten Bilder nicht auf der Leinwand zu sehen waren, sondern hinter den Autoscheiben. Das ist nicht jedermanns Sache. Viele herumblickende und vergleichende Augen – bleibt so etwas aus? – erzeugten Frustrierungen und leichte Impotenzen, Minderwertigkeitskomplexe und oft nicht zu schaffende Leistungszwänge … kurz, der Autostrom ließ bald nach, die Berge um Los Alamos boten genug andere Täler, wo man in einem Auto ohne Vergleichspartner immer der Bessere sein konnte. So wurde das Tal der neun Tannen der einsamste Ort der ganzen Gegend. Er war irgendwie geächtet durch eine zu groß gewesene Kommunikation. Man war nie sicher, wirklich allein zu sein … das genügte – schizophren wie so vieles in Amerika – daß nun gar keiner mehr hinfuhr.
    Bob Miller hatte seinen Oldsmobil in einem benachbarten Tal geparkt und war eine Meile zu Fuß gegangen. Er saß jetzt im Hintergrund der Schlucht, bei einer der acht Tannen, im völligen Schatten der Nacht, und wartete auf Plenjakow und Dunja Andrejewna. Er war sicher, daß ihm niemand gefolgt war. Wenn Orwell etwas versprach, konnte man seine Worte als Daunenkissen benutzen. So sicher schlief man darauf.
    Bob

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