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Das doppelte Rätsel

Das doppelte Rätsel

Titel: Das doppelte Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Plutonium ein. Der Kern nimmt das Teilchen auf, wird aber dadurch in seinem inneren Gleichgewicht gestört und zerplatzt nach einer bestimmten Zeit in verschiedene, mittelgroße Atome. Dabei werden erstens sehr viel Wärme und zweitens wiederum einige Neutronen frei. Das ist die grundlegende Reaktion, auf der alles beruht. Die Wärme nutzen wir aus, und die frei gewordenen Neutronen dienen uns dabei. Es kommt nun darauf an, wie viele Atome des Kernbrennstoffes — Uran zweihundertfünfunddreißig oder Plutonium — sich in der Umgebung des zerfallenen Atoms befinden. Trifft jedes frei werdende Neutron wiederum einen Kern, der es aufnimmt, so erhalten wir eine Kettenreaktion, die explosiv anwächst. Gelingt es aber zu erreichen, daß von jeder einzelnen Reaktion genau ein Neutron eine neue Spaltung hervorruft, pflanzt sich die Kettenreaktion gleichmäßig fort, und wir haben die Möglichkeit, die Wärme für uns auszunutzen. Genau diese Verhältnisse herrschen im Reaktor.“
    „Also nur Neutronen können eine solche Reaktion hervorrufen …“, warf Pollux ein. Es war mehr eine Feststellung, der Ingenieur aber nahm sie als Frage und sagte ärgerlich: „Ja doch. Wenigstens bei dem Kernbrennstoff, den wir verwenden, und soweit überhaupt Kernreaktionen bekannt sind!“
    Es schien, als ob Pollux noch etwas einwerfen wollte, aber der Ingenieur fuhr schon fort: „Wenn wir also den Neutronenfluß im Reaktor regeln können, können wir auch die Kettenreaktion regeln. Das ist aber nur möglich, weil es Stoffe gibt, die Neutronen aufsaugen, absorbieren. Wird der Neutronenfluß zu groß, wächst die Kettenreaktion an, und die Wärmeabgabe übersteigt das gewünschte Maß. Dann tritt die Regelung in Kraft, Absorberstäbe werden in die aktive Zone gesenkt, saugen einen Teil der Neutronen auf und lassen die Reaktion auf das gewünschte Maß absinken.“
    „Und wenn nun von außen Neutronen dazukommen?“ fragte Pollux unerwartet.
    Der Ingenieur lächelte überlegen. „Darauf wollen Sie also hinaus! Aber damit ist es nichts. Eine Neutronenstrahlung von solcher Stärke, daß sie die Reaktion im Reaktor wesentlich beeinflussen könnte, würde die gesamte Umgebung des Reaktors radioaktiv verseuchen. Die Entaktivierungsautomatik hätte die FR siebzehn überhaupt nicht zur Entladung der Fracht freigegeben!“
    „Lassen Sie sich durch meine Einwürfe bitte nicht stören!“ bat Pollux. „Fahren Sie ruhig fort!“
    Der Ingenieur erläuterte nun die beiden Grundtypen von Reaktoren, den „thermischen“ und den „schnellen“ Reaktor, und ihre Unterschiede in Funktion, Struktur, Verwendungsmöglichkeiten und Wartung, worüber man in jedem technischen Nachschlagewerk nachlesen kann. Er begründete auch, warum für den Einsatz in Raumschiffen die „schnellen“ Reaktoren bedeutend günstiger sind, und wies auf die Schwierigkeiten der Kühlung hin, da sich die Verwendung leichterer Elemente dafür verbot, weil diese die Neutronen bremsen, langsame Neutronen aber wiederum eine Gefahr für den schnellen Reaktor darstellen könnten.
    „Wieso? Was für eine Gefahr?“ fragte Pollux und beugte sich vor. „Was ist leichter zu fangen, eine Fliege oder ein Geschoß?“ fragte der Ingenieur zurück, sprach aber gleich weiter: „Langsame Neutronen, wie sie einen thermischen Reaktor betreiben, werden von den Brennstoffatomen viel leichter eingefangen als schnelle. Folglich ist im schnellen Reaktor eine viel größere Brennstoffdichte notwendig; treten nun hier langsame Neutronen auf …“
    Er wollte sagen: dann kann die Reaktion sehr schnell anwachsen und in extremen Fällen sogar aus der Kontrolle geraten — aber er sprach den Satz nicht aus, sondern zog den Tischrechner heran. Eine unsinnige Idee kam ihm, unsinnig deshalb, weil langsame Neutronen in der Natur noch nie beobachtet worden waren, aber trotzdem: Wie intensiv hätte eine Strahlung langsamer Neutronen sein müssen, um einen solchen Effekt wie im Reaktor der FR 17 hervorzurufen? Hätte sie meßbare Spuren am übrigen Teil der Rakete hinterlassen müssen? Nach einigen Minuten hatte er das Ergebnis vor sich. Er blickte auf. Alle sahen ihn an. „Ich räume ein“, sagte der Ingenieur langsam und sorgfältig formulierend, „ich räume ein, daß hier rein rechnerisch eine Möglichkeit besteht. Aber …“ Er schwieg wieder einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. „Nein, zu viele Unmöglichkeiten stehen dem im Wege. Erstens: Die Rakete hätte sich nur ganz kurze Zeit unter

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