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Das doppelte Rätsel

Das doppelte Rätsel

Titel: Das doppelte Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Die Bewegungen, die sie vollführten, wirkten durch ihre Sparsamkeit fast elegant. Pollux stand dabei und sah zu und sah doch nichts. Er spürte auch nicht die Schmerzen am Kopf und am Schienbein, und flüchtig wunderte er sich sogar darüber, weil man das immer so liest und als Floskel auffaßt, und in Wirklichkeit ist es doch so. Aber dieser Gedanke füllte nur eine winzige Pause zwischen den Wellen von seelischem Schmerz, die durch ihn hindurch gingen — Wellen dieses unbeschreiblichen Gemischs von lähmender Angst, dumpfer Wut und grenzenloser Verzweiflung, die einen Menschen überkommen, wenn er einem ihm teuren Wesen, das ganz auf seine Hilfe angewiesen ist, nicht helfen kann. Etwas tun! Irgend etwas tun können, wie dieser Arzt da …
    Wieder wurde der Körper des Freundes von Krämpfen geschüttelt. Pollux stürzte ans Kopfende des Betts und rief dem Freund Worte ins Ohr, Namen, Spitznamen, Schimpfworte …
    Der Arzt riß ihn zurück. „Sprechen Sie beruhigend, im normalen Ton. Nennen Sie ihn bei dem Namen, den Sie am häufigsten gebraucht haben. Sagen Sie immer wieder dasselbe. Los!“
    Der Anfall ließ nach. Ob die Stimme des Freundes dabei geholfen hatte — der Arzt wußte es nicht, und Pollux glaubte nicht daran. Aber merkwürdigerweise hatte die Beherrschung, die er dazu hatte aufbringen müssen, den ganzen dumpfen Wust drückender Gefühle von ihm abfallen lassen, verwandelt, umgeformt zu einem ruhigen, hartnäckigen Bestreben, etwas zu tun für den Freund. Eine fast instinktive Sicherheit überkam ihn, daß er im gegebenen Moment schon wissen würde, was da zu tun sei, und daß er es in Angriff nehmen und bewältigen würde, auch wenn das ganz unmöglich erscheinen sollte.
    Die Anfälle schienen zu Ende zu sein. Pollux bemerkte erst jetzt, daß an des Freundes Kopf Elektroden befestigt worden waren, von denen aus dünne Drähte zu einem Schrank liefen, aus dem der Arzt nun eine Rolle herausnahm — das Enzephalogramm des Anfalls. Pollux wollte ihn bitten, daß er ihm das erklären möchte, aber er ließ es dann doch, denn Tom Harrars Gesicht sah nicht gerade so aus, als könne er in der seltsam zittrigen Kurve wie in einem aufgeschlagenen Buch lesen.
    Ein Summton unterbrach Pollux in seinem Zögern. Auf dem Bildschirm über der Tür erschienen in rascher Folge Zahlen und Schaltsymbole, und dann wurde eine junge Frau in Schwesterntracht sichtbar, die am Tisch saß und schrieb, dann aufblickte und sich meldete: „Institut Professor Mirano. Sie hatten um eine Tele-Diagnose gebeten. Ist alles bereit?“ Tom Harrar schaltete eine schwenkbare Tele-Kamera ein und zog sie über den Kopf des Patienten. „Alles bereit!“ bestätigte er. „Gut! Ich verbinde mit Professor Mirano!“
    Ein kleines, kluges, zerfälteltes Greisengesicht erschien auf dem Bildschirm. Mirano stellte sich vor und bat um die Vorgeschichte. Tom Harrar berichtete, was sich ereignet hatte, und auch, was sich vermutlich ereignet hatte, und von da ab verlief die Unterhaltung so, daß Pollux nur die bedeutungslosen Wörter verstand, aber nicht den Sinn dessen, was da gesagt wurde. Professor Mirano ließ sich das EEG zeigen, veranlaßte den Arzt zu einigen Handlungen am Körper des Patienten und schwieg dann. „Wer ist der junge Mann da neben Ihnen?“ fragte er schließlich. Pollux stockte der Atem bei dieser Frage. „Sein bester Freund!“ antwortete der Arzt. Professor Mirano sah Pollux nachdenklich an. Dann sprach er: „Ich will und kann weder Hoffnung noch Verzweiflung säen. Meine Vorstellung vom Zustand des Patienten ist nicht präzis; es gibt keine vergleichbaren Fälle. Der Anfall wird ihn erleichtert haben, aber …“ Er kniff die Lippen zusammen und schwieg. Dann zog er einen Notizblock heran, blätterte darin und sagte: „Für vier Tage kann ich mich frei machen. Ich werde zu Ihnen kommen. Ein Transport des Patienten auf die Erde ist nicht ratsam, die dabei auftretenden Beschleunigungen könnten seinen Tod bedeuten. Länger als drei, vier Tage darf er aber nicht in diesem Zustand bleiben, dann … Also regeln Sie den Transport von zehn Personen und etwa fünf Dezitonnen Fracht. Ich bereite hier alles vor. Wenn die Überfahrt geklärt ist, rufen Sie mich wieder an.“
    In dem Augenblick, als der Professor abschaltete, fiel Pollux das Startverbot ein, das sie beschlossen hatten.
    Kurt Osterriem und Leif Johanson durchsuchten gemeinsam den Nutzteil der FR 17 und entdeckten bald einige Anzeichen, die für die Annahme des

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