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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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es.
     
    Vera ging die wenigen Stufen hoch zum Eingang. Sie trat durch den einen bereits offenen Flügel der Eingangstür in ein schummriges Foyer.
    Vor ihr breitete sich ein Boden mit stumpfen Steinplatten in Beige- und Terracottatönen aus. Vergilbte Ölfarbe und mürbe aussehende Stofftapeten waren sicher einmal ein prächtiger Wandschmuck gewesen, jetzt boten sie einen geradezu erbärmlichen Anblick. Eine dunkle ausgetretene Holztreppe führte in barockem Schwung hinauf in das obere Stockwerk.
    Links vom Eingang sah sie eine offen stehende Tür, in dem Raum dahinter waren Tische und Stühle zu erkennen. Wohl der Speiseraum.
    Rechterhand befand sich hinter einem gewaltigen dunklen Tresen der Empfang. Sie steuerte darauf zu. Wenigstens war es hier kühl und ruhig, eine Wohltat nach dem Hexenkessel draußen.
    Hinter dem Empfangstresen stand ein beflissen und überaus freundlich wirkender Mittvierziger, der sie fragend ansah und dann lächelnd mit „Kali mera“, begrüßte.
    Um gleich darauf „Hello! Guten Tag“, hinterherzuschicken.
    „Kali mera!“ Sie wiederholte einfach die soeben gehörten Worte, die sie richtigerweise als Begrüßung aufgefasst hatte.
    Die Wirkung war erstaunlich. Im Gesicht des Mannes ging sozusagen die Sonne auf. Er lächelte noch breiter und deutete sogar eine kleine Verbeugung an. Dann sah er sie wieder fragend an.
    „Kremser, Vera Kremser“ sagte sie. „Ich habe über ‚Nicefly-Reisen’ bei ihnen gebucht.“
    „Kremser, Nicefly, yes, ja!“
    Der Mann hinter dem Tresen blätterte eifrig in einem Buch.
    „Ne, yes! Kremser! Hier!“ Er strahlte sie an. „Room 17, parakalo, bitte!“
    Er klappte einen Teil der Tresenplatte wie eine Bahnschranke hoch und kam auf ihre Seite.
    „Ella, bitte, hier. Follow me!“
    Vera war über die eifrige Dreisprachigkeit amüsiert. Der Mann ging mit ihrem Koffer voraus, die knarzende Treppe hoch. Einen schlecht beleuchteten Flur mit abgetretenem Teppichboden entlang ging es zum Zimmer 17.
    Sie rümpfte die Nase. Eine nicht zu spezifizierende Geruchsmischung aus altem staubigen Stoff, Putzmittel, Mottenkugeln, kaltem Rauch und Bohnerwachs lag wie Kampfgas in der Luft.
    Der Mann schloss auf, stieß die anscheinend klemmende Tür mit dem Fuß an und machte eine einladende Geste.
    „Parakalo, bitte!“
    Sie trat ein.
    Im Zimmer war es wegen der zugezogenen Vorhänge ziemlich düster. Nur wenige dünne Lichtfinger stachen zwischen dem staubigen Brokat herein. Die muffige, abgestandene Luft roch nicht viel besser als draußen im Flur. Ein schmales Bett, ein kleiner Schrank, ein Tischchen mit einem Stuhl - fertig war die Möblierung.
    „Wie in einer Gefängniszelle oder Mönchsklause“, war Veras spontaner erster Eindruck.
    Über dem Bett hing ein schauderhaft kitschiger Kunstdruck eines Sonnenuntergangs hinter der Akropolis.
    In der Ecke führte eine Tür zu einem winzigen Bad. Dusche, Waschbecken, Toilette. Ein halbblinder Spiegel.
    Vera war, gelinde gesagt, schockiert. Dieses Hotel hatte seine besten Tage schon lange, sehr lange hinter sich!
    Die Aussicht, hier die nächsten zehn Tage, und vor allem Nächte verbringen zu dürfen, stimmte sie überhaupt nicht froh.
    Der Mann lächelte nach wie vor.
    „Ella, Abendessen von six to eight, breakfast auch six to eight. Kala, easy, oder?“
    Er grinste jetzt, als hätte er einen guten Witz erzählt.
    Sie lächelte schwach zurück. „Danke“, sagte sie mit dem Rest an Beherrschung, den sie noch hatte.
    Alles in ihr drängte eigentlich danach, diese gruftige Absteige so schnell als möglich wieder zu verlassen, aber im Grunde genommen war sie jetzt zu fertig dazu. Erst raus aus den verschwitzten Reiseklamotten, eine Dusche, umziehen, etwas Kühles zu trinken!
     
    Eine halbe Stunde später war sie einem Schreikrampf näher als je zuvor. Die Dusche arbeitete anscheinend digital, denn es gab nur zwei Einstellmöglichkeiten. Das Wasser war entweder brühheiß oder lausig kalt, für den Körper angenehme Zwischenwerte ließen sich an den großen schwergängigen Porzellanhandrädern der alten Mischbatterie auch mit Millimeterarbeit nicht einstellen.
    Und der Plastik-Duschvorhang! Die Duschwanne maß bestenfalls fünfzig mal fünfzig Zentimeter. Sie stand wie auf einer Briefmarke und bei jeder Bewegung schmiegte sich der fleckige Duschvorhang eklig feuchtkalt an ihren nassen Körper. Wann war er wohl zuletzt gründlich gereinigt worden? An welchen Körpern und vor allem Körperstellen hatte er schon geklebt,

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