Das Dorf der Katzen
klaffende Spalt in seinem Schädel schloss sich langsam wie ein organischer Reißverschluss. Terged schüttelte kurz den Kopf, dann verzog er sein Maul zu einem widerlichen Grinsen.
Er machte eine einladende Kopfbewegung in Richtung Choriogatos.
„Sie flüchten da hinüber. Anscheinend wollen sie in ihrem Heimatdorf sterben. Tun wir ihnen den Gefallen!“
Dann rannte er los.
Samsin und Warad-al-hif wusste er hinter sich, Haschun kam ihnen entgegen. Sie würden die wie Sandkäfer vor ihnen Flüchtenden zwischen sich zerreiben!
Es folgte ihm aber nur Warad-al-hif.
Samsin war bei der Ruine zurück geblieben. Er hatte etwas entdeckt, genauer gesagt, gewittert.
Ihm war ein Geruch in die Nüstern gestiegen, den er auch unter einem Berg ungegerbter Tierhäute erkannt hätte.
Der Geruch einer Frau! Einer ganz bestimmten Frau. Ihr Geruch hatte ihn angeweht, als sie da heute Morgen neben Kasaffa an der Höhle stand.
ΦΦ ΦΦ
In dem Gang vor dem unterirdischen Versammlungsraum erholte sich Haschun von der furiosen Attacke, die der Schwarze geritten hatte.
„Wie um alles in der Welt war das soeben möglich gewesen?“, fragte er sich. „Ich hatte den Kerl so gut wie zwischen den Pranken und er löst sich auf, um hinter mir wieder zu erscheinen. Außerdem, wie ist es ihm möglich, unter die Decke zu gelangen und dort zu hängen?“
Er blinzelte versuchsweise mit den Augen. Sie waren wieder fast zur ursprünglichen Größe herangewachsen, sein Sehvermögen war so gut wie vollständig wieder hergestellt. Wenige Meter vor ihm saß der Schwarze wie unbeteiligt mitten im Gang und blickte ihn ruhig an.
Wut und Aggression wallten in Haschun auf, aber er zwang sich zur Ruhe.
„Du spielst ihm in die Hände, wenn du blindlings agierst“, dachte er, „bleib ruhig und überlegt!“
Langsam glitt er auf seinen Gegner zu. Dieser wich ebenso langsam unter Fauchen und Drohen zurück, bis er mit dem Rücken an der Wand des Gang-Endes anstieß. Haschun machte einen Scheinangriff, beobachtete den Schwarzen aber dabei genau. Er sah, wie sich der buchstäblich verflüchtigte und dann wie ein Schatten, ein Phantom über ihn hinwegwischte, um hinter ihm zu landen und wieder feste Gestalt anzunehmen.
„Ein halber Teleporter“, dachte sich Haschun. „Und wahrscheinlich Egokinet, damit er wie schwerelos unter der Decke hängen kann.“
Er kannte diese Mätzchen aus seiner Ausbildung beim Meister.
Rasch hatte er eine Strategie entwickelt, mit der er diese Sache zu Ende bringen konnte.
Wieder schlich er auf den Schwarzen zu, so, als ob er bisher nichts gelernt hatte. Als der mit dem Rücken zur Tür stand, versuchte er wieder die Flucht im halb entstofflichten Zustand über ihn hinweg. Darauf hatte Haschun nur gewartet. Blitzartig riss er eine Pranke hoch und angelte den eben über ihn hinweg huschenden Schatten förmlich aus der Luft.
O Gerontas hing zappelnd in den Klauen von Haschun, und der wartete nicht erst darauf, dass sich sein Fang wieder verflüchtigte, sondern biss hart und gnadenlos zu.
Das letzte der sieben Leben von o Gerontas, dem größten der Abbilder, war vorbei.
Haschun blickte auf den leblosen Körper zu seinen Füßen, der in einer sich rasch vergrößernden Blutlache da lag.
Hinter der Tür musste ja etwas sehr Wertvolles sein, wenn es von einem Kater mit so außergewöhnlichen Fähigkeiten bewacht wurde!
Er nahm Anlauf und warf sich dagegen. Das Metall dröhnte und das Türblatt vibrierte in der Zarge, aber es hielt, wenn auch schon stark verformt.
Auch ein erneuter Anlauf und Sprung gegen die Tür brachte ihn nicht weiter. Aber er vernahm jetzt hinter der Tür unterdrückte Schreie und leises Weinen.
Da waren Menschen. Er leckte sich die Lefzen, schmeckte schon förmlich das Blut.
Erneut wuchtete er sich gegen die Tür wie ein mittelalterlicher Rammbock und jetzt brach er durch. Die Tür hatte gehalten, aber die Zarge wurde aus ihrer Verankerung gerissen. Dröhnend krachten die Tür und Haschun in einer Staubwolke in den Raum. Ein vielstimmiger Schrei ertönte, dann war es still.
Haschun richtete sich auf und blinzelte in den sich langsam setzenden Staub.
Er sah alte Männer und Frauen, Kinder mit ihren Müttern und viele Katzen. Die Menschen hatten sich an die gegenüberliegende Wand gedrängt, die Katzen nahmen davor eindeutige Drohhaltungen ein, waren anscheinend gewillt, die Menschen zu verteidigen.
Man hörte leises Murmeln von Gebeten, einige Kinder weinten.
Haschun
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