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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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geworfen. Das Übliche eben.
    Er wollte sich gerade auf den Schützen stürzen, damit dieser ihn nicht länger belästigen konnte, da spürte er noch etwas anderes.
    Flüssiges Blei schien plötzlich durch alle Gefäße seines Körpers zu laufen. In den Organen und im Gehirn sammelte es sich zu brodelnden, kochenden Sümpfen und Seen. Nie zuvor empfundene Schmerzen rasten durch ihn. In plötzlicher Panik versuchte er, zu fliehen, an dem Mann vorbeizukommen, der ihm das angetan hatte. Das war kein Glas, das ihm da in den Körper geschossen worden war, das hatte eine ganz andere Dimension! Das innere Feuer wurde zu einem Feuersturm, der scheinbar alles verzehrte. Haschun konnte es nicht mehr ertragen, er musste raus!
    Überstürzt zog er sich aus seinem Ch’quar zurück und floh in seinen Körper auf Rhodos. Der verlassene Kreaturenkörper zerfiel zu Staub, aber jeder Partikel verglühte Funken sprühend wie brennender Eisenstaub.
    Der Körper des Ch’quar verging in einem knisternden und stiebenden Feuerwerk von grausiger Schönheit.
     
    Danach war es unheimlich still im Raum. Nicht einmal mehr die Kinder weinten oder jammerten.
    Ioannis stolperte wie in Trance zu seiner Schwester. Er sank vor ihr auf die Knie und hob ihren Kopf. Es war zu spät, mit den Strömen von Blut war auch das Leben aus ihr gewichen.
    Mit verzerrtem Gesicht sah Ioannis sich um.
    Er erblickte viele Tote, Männer, Frauen, Kinder, Abbilder. Raffaele, Dimitri, Sofia, Grisoula, o Gerontas draußen im Gang und noch viel zu viele andere.
    Das kleine Häuflein Überlebender drückte sich angstvoll in einer Ecke zusammen. Schreckgeweitete Augen blickten auf Ioannis und die ganze furchtbare Szenerie.
    Er griff sich das neben ihm liegende Gewehr und richtete sich langsam wieder auf.
    „Bleibt hier“, sagte er mühsam. „Nehmt die Tücher von den Wänden und bedeckt die Toten. Ich muss hinauf und helfen, wo ich noch helfen kann. Ihr seid hier noch am sichersten. Wenn ihr von oben nichts mehr hört, dann schickt jemanden nach oben, um nachzusehen, ob ihr hier heraus könnt.“
     
    Dann rannte er aus dem Saal. Tränen liefen ihm über das Gesicht. Draußen vor dem Haus reckte er beide Arme in die Luft, das Gewehr in den Händen haltend. So stand er da, wie eine martialische Statue eines Kriegers.
    Mit in den Nacken gelegtem Kopf schrie er seine Wut und Verzweiflung, seine Trauer über das soeben Erlebte und Gesehene aus sich heraus.
     
    ΦΦ ΦΦ
     
    Vera hatte sich beim Ansturm der Ch’quar im Eingang zur Ruine im Hintergrund gehalten, wie Trevor es gewünscht hatte. Sie musste mit ansehen, wie Ioannis’ bester Freund erst einer der Kreaturen den Schädel einschlug und dann selbst von den beiden verbleibenden Angreifern niedergemacht wurde. Ihre kurze Genugtuung darüber, dass Trevor wenigstens eine der Bestien mitgenommen hatte, wich blankem Entsetzen, als sich der niedergestreckte Ch’quar wieder erhob, als ob nichts gewesen wäre.
    Sie waren nicht aufzuhalten!
    Deutlich vernahm sie die lautlose Unterhaltung der Kreaturen und auch die Aussage desjenigen, der offensichtlich der Anführer war.
    „Sie flüchten da hinüber. Anscheinend wollen sie in ihrem Heimatdorf sterben. Tun wir ihnen den Gefallen!“
    Sie war noch nicht entdeckt worden und verhielt sich so ruhig und unauffällig wie möglich.
    Sie sah, wie sich zwei der drei Ch’quar sofort an die Verfolgung der Männer machten, während einer zögernd zurückblieb. Er schien etwas zu wittern, denn er bewegte sich schnuppernd und suchend in ihre Richtung.
    Plötzlich erkannte Vera ihn. Es war der Einäugige, der beim Kampf vor der Höhle dazugestoßen war und als erstes den schwarzweißen Kater getötet hatte. Vera hatte später erfahren, dass das Aspros, der Anführer der Illasandriner Katzen gewesen war.
    Vera sondierte vorsichtig seine Gedanken und hatte Glück. Die Kreatur vernachlässigte ihren Block und Vera konnte Gedankenfetzen erfassen.
    Was sie da zu „lesen“ bekam, war so abgrundtief pervers und verworfen, dass es ihr die Schamesröte ins Gesicht trieb.
    Diese Kreatur schwelgte in ekelhaftesten Phantasien und sie, Vera, war der Mittelpunkt.
    Sie wusste, dass sie Objekt der Begierde des Hohepriesters war und möglichst unverletzt gefangen werden sollte, aber dieses Scheusal dort draußen kümmerte sich keinen Deut um seinen Befehl. Vera erkannte, dass er erst sein Mütchen an ihr kühlen wollte, um sie dann umzubringen und ihren Tod irgendwie als Kollateralschaden

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