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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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können.
    Doch dies hatte weniger mit Gesetz zu tun als mit Schuld. Wie sich herausstellte, hing der gute, einfache, bodenständige und lebenslustige Geordie einem religiösen Fatalismus an. Wenn er das Geld nicht behalten hätte, wäre Tommy Tiplakes Firma badengegangen, und er, Geordie, wäre längst fort und weit entfernt von dieser zweiten Runde der Untersuchungen über Kindesmißhandlung gewesen. Dies war seine Strafe. Alles, was der Staatsanwalt ihm vorwerfen würde, käme ihm nur gelegen als öffentlicher Beweis, daß ihn diesbezüglich keine Schuld traf.
    Novello merkte, daß er ihr am Ende des Verhörs beinahe schon wieder leid tat. Falls das nicht an seinem angeborenen und unbefangenen Charme lag (was, wie sie sich nachdrücklich versicherte, bestimmt nicht der Fall war), so hätten sie spätestens seine letzten Worte ganz für ihn eingenommen.
    »Was mich jetzt wirklich fertigmacht, nachdem ich die ganze Geschichte kenne, ist die Vorstellung, daß der arme Benny im strömenden Regen zurückkommt und in der Ruine von Neb Cottage nach dem Geld sucht, das seine Großmutter ihm versprochen hatte. Armer Kerl!«
    »Armer Kerl?« wiederholte Dalziel ungläubig. »Dieser arme Kerl hat möglicherweise drei kleine Mädchen auf dem Gewissen, und selbst wenn das nicht bewiesen ist, so hat er ganz ohne Zweifel die kleine Betsy Allgood in genau der Nacht angegriffen, von der Sie gerade sprachen.«
    »Meinen Sie wirklich? Tja, das ist eben Ihre berufsmäßige Art, die Dinge zu sehen, Mr. Dalziel«, erwiderte Turnbull respektvoll. »Ich, ich kannte den Burschen und hielt ihn eigentlich für ganz harmlos. Ich war immer überzeugt, daß er mit den vermißten Mädchen genausowenig zu tun hatte wie ich. Was Betsy Allgood angeht – wahrscheinlich hat er ihr nur einen Riesenschrecken eingejagt. Ein kleines Mädchen verirrt sich in einer Gewitternacht im Tal und steht plötzlich dem Mann gegenüber, den jeder als Buhmann anprangert – natürlich ist sie da zu Tode erschrocken! Ich möchte sogar behaupten, wenn Sie in jener Nacht derjenige gewesen wären, den sie getroffen hat, dann hätte sie sich genauso erschrocken, das arme Mädchen.«
    »Verhör beendet«, verkündete Dalziel prompt. »Nichts schlägt mir mehr auf den Magen als ein Fan von Newcastle Umted mit religiösem Touch.«
    »Tja dann … Aber eins ist sicher, trotz all der Zeichen, von denen Sie mir erzählt haben: Benny ist nicht zurück, oder? Und ich hatte nichts mit der keinen Lorraine zu tun – und Barney Lightfoot auch nicht, wie sich’s anhört. Dann gehe ich jetzt wohl besser in meine Zelle zurück, wie? Und lasse Sie endlich wieder an Ihre Arbeit. So wie sich’s anhört, haben Sie ja noch ’ne ganze Menge zu tun.«

Siebzehn
    N achdem Turnbull das Verhörzimmer verlassen hatte, saßen die drei Polizisten eine Weile schweigend da.
    Schließlich sagte Novello: »Könnte er recht haben, Sir? Könnte Betsy Allgood das falsch mitgekriegt haben? Als sie Benny Lightfoot sah, hat sie sich so erschrocken, daß sie in Panik geriet, und als er sie beruhigen wollte, dachte sie, er wolle sie angreifen.«
    »Für ein Mädchen ihres Alters war sie eine der besten Zeuginnen, die ich je hatte«, sagte der Sergeant anerkennend. »Wir hatten vorher schon einige Male mit ihr gesprochen, und nach diesem Angriff war sie genauso ruhig und sachlich und präzise wie davor. Die ganze Geschichte mit ihrer Katze – Sie wollen doch nicht sagen, daß sie sich das nur eingebildet hat, daß sie das alles nur erfunden hat? Für mich klang das damals absolut echt, und das tut es noch heute. Haben Sie die Akte gelesen? Dann wissen Sie ja, was ich meine.«
    Ja, dachte Novello. Ich weiß, was Sie meinen. Aber ich bin nicht sicher, daß ich weiß, was ich meine – und das ist vielleicht mehr, als Sie wissen. Oder wissen können. Etwas über die Art und Weise, wie kleine Mädchen denken. Über die Art und Weise, wie sie sich aus Angst die phantastischsten Geschichten ausdenken … wie sie die Realität verbiegen können, um sie ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen anzupassen … wie sie die Welt der Erwachsenen beobachten und analysieren …
    Sie rief sich die Dendale-Akte ins Gedächtnis und sah darin einmal nicht das Protokoll einer Untersuchung, sondern eine Art gemusterte Tapete, deren verschlungenes Muster aus dem dreifach wiederholten Motiv eines vermißten Kindes bestand. Aus dieser Sicht entdeckte sie plötzlich etwas, dessen sie sich vorher nur verschwommen bewußt

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