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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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erlaubten«.
    Es war keine besonders verlockende Aussicht. Auch Wield erinnerte sich an Dendale. Wie Dalziel immer sagte: Es sind nicht die Verhafteten, die einem schlaflose Nächte bereiten, sondern die Entwischten; und Dendale stand auf der Liste der schlaflosen Nächte ganz oben. Gut, Danby war anders – aufstrebend, vom Dorf zur Kleinstadt gewachsen, nicht so abgeschieden und keinesfalls dem Untergang geweiht, wie Dendale es gewesen war. Aber es lag nur ein paar Meilen westlich, nur einen Spaziergang über den Leichenpfad entfernt …
    »Aber ein Mann muß tun …«, kaute Wield in John-Wayne-Manier, »… muß
irgendwas
tun. Ärgere nicht zu viele kleine Kinder, mein Freund. Bis dann.«
    Er warf den Affen in die unteren Äste der Eiche und stapfte davon.
    Eine halbe Stunde später, als er seinen alten Thunderbird im Leerlauf die Auffahrt von Corpse Cottage hinunterrollen ließ, um Edwin nicht aufzuwecken, dachte er, wie schön es doch wäre, einen solchen Morgen im Bett zu verbringen.
     
    Pascoe war ebenfalls früh aufgestanden. Er hatte sich die Dendale-Akte vorgenommen, war dann aber im Sessel eingeschlafen und erst wieder erwacht, als Ellie wie jeden Morgen Rosie zur Schule fertigmachte.
    Sein erster verschlafener Gedanke war, unrasiert und ohne Frühstück loszueilen, aber Ellies vernünftiger Rat brachte ihn zur Besinnung, so daß er in Danby anrief und sich vom diensthabenden Polizisten versichern ließ, die dortige Ruhe werde allein von Sergeant Wields herannahendem Motorrad gestört. Danach konnte er sich entspannen mit der Gewißheit, daß die Organisation in den besten Händen lag.
    Also hatte er das relativ seltene Vergnügen wahrgenommen, gemeinsam mit seiner Tochter zu frühstücken.
    Es schien kein beiderseitiges Vergnügen zu sein. Rosie blinzelte irritiert ins helle Licht der Sonnenstrahlen, die durch das Küchenfenster fielen, und verkündete: »Ich fühl mich nicht gut.«
    Ihre Eltern wechselten Blicke. Peter, der einige Wochen zuvor seine Tochter einen Tag lang allein betreut hatte, war beim Frühstück ihren verhaltenen Seufzern und Schluchzern ausgesetzt gewesen, während sie tapfer ihre Frühstücksflocken hinunterwürgte, bis er – immer ein leichtes Opfer von Quengelei – sich erbarmt und gefragt hatte: »Fühlst du dich nicht gut, oder was?«
    »Ja«, hatte sie geantwortet. »Ich fühl mich überhaupt nicht gut.«
    »Dann ist es vielleicht besser, wenn du heute nicht zur Schule gehst«, hatte er erwidert, weil er insgeheim froh darüber gewesen war, einen ganzen Tag mit ihr verbringen zu können.
    Dann war ihr mitten am Vormittag eingefallen, daß ihre Klasse am Nachmittag auf eine Vogelkundeexkursion gehen wollte, und nach einer wundersamen Blitzgenesung beharrte sie ehrenhaft darauf, daß es doch schändlich sei, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dem Unterricht fernzubleiben.
    Der Satz »Ich fühl mich nicht gut« wurde seither als Zauberformel benutzt, um ihrem Vater nötigenfalls das Herz zu erweichen.
    Ellie Pascoe jedoch war gegen solcherlei Sprüche immun.
    »Ich hab dir gestern gesagt, du sollst deinen Sonnenhut auflassen«, entgegnete sie ungerührt.
    »Hab ich doch«, empörte sich Rosie. »Die ganze Zeit.«
    »Natürlich«, sagte Pascoe. »Bestimmt auch dann, als du getaucht bist.«
    »Das ist doch dumm«, maulte Rosie. »Da wäre er ja weggeschwommen. Muß ich wirklich zur Schule gehen?«
    »Aber ja doch«, sagte er. »Ich glaube, ich habe gerade Nina gesehen, die an der Gartenpforte auf dich wartet.«
    »Nein, hast du nicht. Ich hab dir doch gesagt, daß sie weg ist. Der Nix hat sie geholt. Ich habe es gesehen!«
    Pascoe sah zu Ellie hinüber, die ein Ich-vergaß-es-dir-zu-sagen-Gesicht zog.
    »Vielleicht hat ihr Vater sie wieder gerettet«, sagte er.
    »Jetzt bestimmt noch nicht. Das war doch erst gestern. Es wird dir leid tun, wenn ich auch geholt werde.«
    Es gab Sätze, die brachten nicht nur ein Gespräch, sondern auch den Atem zum Stocken.
    »Na ja, sieh einfach zu, wie lange du es aushältst«, überspielte er seinen Schock mit heiterer Stimme. »Für mich ist es heute auch nicht schön, weißt du. Ich würde auch lieber zu Hause bleiben.«
    »Das ist nicht dasselbe«, sagte sie schmollend. »Du hast keinen steifen Nacken.«
    »Und du hast einen? Wie die Leute in Israel?« lachte er. »Wir hätten dich Rose von Sharon nennen sollen.«
    Neugierig, wie sie war, bestand sie normalerweise auf eine Erklärung der Witze, die sie nicht verstand, aber heute

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