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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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morgen sagte sie nur irritiert: »Sei nicht dumm.«
    »Ich werde es versuchen«, erwiderte Pascoe seufzend und stand auf. »Bis heute abend.«
    Als er sie küßte, fühlte ihre Haut sich sehr warm an.
    An der Tür sagte er zu Ellie: »Sie scheint wirklich ein bißchen fiebrig zu sein.«
    »Das wärst du auch, wenn du einen ganzen Tag in der Sonne rumgelaufen wärst«, entgegnete Ellie.
    »Oh, das bin ich«, sagte er. »Und heute werde ich es bestimmt wieder tun.«
    »Tja, dann setz deinen Sonnenhut auf«, meinte Ellie betont fröhlich. Sie hatte am vorigen Abend seinen traurigen Ausführungen über die ergebnislose Suche gelauscht, ihn eine Weile im Arm gehalten, dann einen großen Whisky eingeschenkt und heiter über Rosies Ausflug geplaudert. Zuerst hatte er gedacht, daß sie ihn ablenken wollte, aber dann merkte er, daß sie sich selbst ablenkte – von ihrem Mitgefühl für Elsie Dacre. Also hatte er den Fernseher eingeschaltet, damit sie beide abgelenkt wurden, und war bei einer nächtlichen Diskussionsrunde über das zunehmende Problem jugendlicher Ausreißer hängengeblieben. Ein Psychiaterin namens Paula Appleby, die aufgrund ihrer extremen Ansichten, sprachlichen Kompetenz und fotogenen Erscheinung die Stimmung äußerst medienwirksam anheizte, sagte dort: »Wenn ein Kind verschwindet, sollte man nicht einfach nur nach dem Kind suchen, sondern sich auch die Eltern vornehmen, die oftmals der Grund für das Verschwinden sind, und dann die Polizei, die eher ein Teil des Problems darstellt als seine Lösung.«
    »Zeit fürs Bett«, hatte Pascoe kommentiert und ausgeschaltet.
    Nun blickte er auf das strahlende Blau des Himmels und vermutete, daß einige Stunden zuvor die dunkel umränderten müden Augen der Dacres den Wechsel von Schwarz zu Grau, zu Rosa und Gold beobachtet und in dem wiederkehrenden Licht und Vogelgezwitscher vielleicht ein Zeichen für wiedererwachte Lebensgeister und Hoffnung gesucht hatten.
    Und dann ging er in Gedanken den Leichenpfad hinauf und über den sonnenbestrahlten Neb und sah hinunter auf das Tal von Dendale, wie es sich mit Licht füllte.
    Ihm war, als sähe er weit unten eine schattenhafte Gestalt, die zum güldenen Rand des Berges hinaufblickte, ihre Arme in freudigem oder höhnischen Gruß in die Luft warf, und dann nackt und stumm in den stillen dunklen Wassern des Sees versank.
    Jetzt habe ich schon Visionen am hellichten Tag, dachte er. War das besser oder schlechter, als im Dunkeln zu erwachen und den Schlammgeruch von Passchendaele in der Nase zu haben?
    »Peter!« rief Ellie in einem Ton, der ihm verriet, daß sie ihn schon einmal angesprochen hatte.
    »Entschuldige«, sagte er. »Ich war Meilen entfernt.«
    »Das hab ich gesehen. Peter, meinst du nicht …«
    Doch der Moment war noch nicht reif. Eine Stimme rief: »Schon wieder so ein verdammt schöner Morgen!«, und sie sahen den Postboten die Auffahrt heraufradeln. Er händigte Pascoe zwei Päckchen aus, ein großes und ein kleines. Beide waren an Ellie adressiert, aber als er sie ihr entgegenhielt, nahm sie nur das kleine und ignorierte das andere.
    »Oh, gut«, sagte sie, als sie es aufriß. »Die Mahler- CD .«
    »›Kindertotenlieder‹. Genau das richtige für einen strahlenden Sommertag«, meinte er, nahm ihr die CD ab und drückte ihr das große Päckchen mit dem wohlbekannten Verlagslogo in die Hand. »Und was ist damit?«
    »Wenn ich aufgeheitert werden will, höre ich Mahler.«
    »Vielleicht haben sie dir das Manuskript nur zurückgeschickt, damit du ein paar kleine Änderungen vornimmst«, meinte er aufmunternd.
    »Quatsch«, sagte Ellie. »Ich hab so sensible Fingerspitzen, daß ich das ›Stecken Sie sich Ihr Manuskript in den Sowieso‹ durch sechs Schichten Verpackung spüren kann. Blöde Veranlagung.«
    Sie war entschlossen, nicht über ihren Roman zu reden. Pascoe betrachtete die CD , auf der die Silhouette eines Mädchens oder Cherubs im Profil abgebildet war, aus dessen Mund eine Notenzeile strömte. Er dachte dabei seltsamerweise an Dendale, obwohl keine offensichtliche Verbindung bestand. Dann entdeckte er den Grund. In der unteren rechten Ecke standen, genau wie auf der Landkarte in der Dendale-Akte, die Initialen E. W. Diesmal handelte es sich natürlich nicht um Edgar Wield, sondern, wie der Text auf der Rückseite der CD ihm bestätigte, um Elizabeth Wulfstan.
    »Hat den Text übersetzt, singt die Lieder, malt das Cover; ich frage mich, ob sie auch alle Instrumente spielt«, meinte er

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