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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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geben, doch es lag an ihr, die richtigen Fragen zu finden.
    Am nächsten Morgen fuhr sie nach Bondi und bat darum, Wally Simpson besuchen zu dürfen. Die junge Frau am Empfang sah in ihrem Buch nach und ließ den Finger an der Reihe von Namen entlanggleiten. Sie sah auf, und Odette hielt den Atem an. »Zimmer zwölf, am Ende des Flurs auf der rechten Seite.«
    Odette atmete auf und lächelte, dankte ihr und ging rasch den breiten Flur hinunter, wo ein alter Mann ihr im Rollstuhl entgegenkam. Sie klopfte an die Tür, wartete und öffnete sie dann langsam.
    Ein Mann lag schlafend in einem Bett und atmete rasselnd durch den offenen Mund.
    Wally Simpson saß in einem Lehnstuhl neben seinem frisch gemachten Bett. Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster und breiteten eine Decke aus gelbem Licht über seine im Schoß verschränkten schwieligen Hände. Das Kinn war ihm auf die Brust gesackt, und er schien zu schlafen.
    Odette kniete sich vor ihn hin, legte ihre Hände auf die seinen und sagte leise: »Wally? Ich bin’s. Odette. Odette Barber.«
    Er öffnete die Augen und sah sie verständnislos an, lächelte dann aber, als er sie erkannte.
    »Es tut mir leid, dass ich Sie so lange nicht besucht habe. Ich war fort. Im Ausland. Bin viel gereist und habe viel gesehen.«
    Er nahm das in sich auf und fragte dann: »Frankreich? Waren Sie in Frankreich? Wir waren da, wissen Sie. Aber das scheint ja keinen mehr zu interessieren.«
    »Ich weiß, dass Sie da waren, Wally. Zusammen mit Ihren Kameraden. Sie haben mir davon erzählt. Ja, ich war da – hab die alten Schützengräben gesehen. Sagen Sie, würden Sie gern ein bisschen in den Garten gehen? Können Sie laufen oder soll ich einen Rollstuhl für Sie holen?«
    »Ich schaff das schon. Brauch den verdammten Rollstuhl nicht«, grummelte Wally und stemmte sich mühsam hoch. »Wo ist mein Stock? Keiner hat hier mehr Geduld mit einem alten Mann. Packen einen in den Rollstuhl und sausen mit einem rum, als wär’s ein Rennauto.«
    Odette reichte ihm den Stock, der neben seinem Bett stand, und half ihm aus dem Stuhl hoch. Schwer auf seinen Stock und auf Odette gestützt, die ihn untergehakt hatte, schlurfte Wally dann zur Tür.
    Sie kamen nur langsam voran, aber sie hatten es beide nicht eilig. Odette machte hin und wieder eine Bemerkung, wollte ihn aber nicht in der Aufmerksamkeit stören, mit der er einen Fuß vor den anderen setzte. An der Tür trat Odette vor und hielt sie für ihn auf.
    Wally blieb stehen, atmete tief durch und schaute in die Ferne. »Bist du das, Gladys? Bist du da draußen im Rosengarten?« Er schlurfte weiter, und Odette führte ihn zu der gusseisernen Bank am Rande des gepflegten Gartenwegs.
    Sie ließen sich nieder, und er lehnte sich zurück, genoss die Sonnenwärme und schloss die Augen. »Ach, wie die Rosen duften.«
    »Wally? Was wissen Sie noch von Zanana? Wer ist Gladys?«
    Er wandte ihr seinen Blick zu, der langsam aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückkehrte. »Gladys. Mit ihr lief Zanana so reibungslos wie ’ne Schweizer Uhr, jawoll. Brach ihr das Herz, als sie alle starben. Aber wir hatten ein gutes Leben, o ja, am Ende in Bangalow.«
    »Gladys? Gladys Butterworth, Wally? Haben Sie sie gekannt?«
    »Wir hatten ein paar gute Jahre zusammen, Gladys und ich. Dann sind sie alle gestorben. Außer Alec natürlich. Armer kleiner Junge, hätte in Zanana aufwachsen und es übernehmen sollen. Schließlich gehörte es ihm. Aber nein.« Er verfiel in Schweigen, hing einer Erinnerung nach.
    »Was ist passiert, Wally?«
    »Ging alles den Bach runter, kein Geld mehr, Ben und Kate tot. Wünschte, wir hätten Alec nie weggegeben. Er ist dort draußen.«
    »Wo, Wally? Wo ist Alec? Wer ist er?«
    »Sollte in Zanana sein.« Er drehte sich zu Odette und zog an ihrem Arm. »Finden Sie Alec und bringen Sie ihn heim nach Zanana. Tun Sie das, für einen alten Burschen, bitte?«
    Er sah gequält aus, und Odette sagte beruhigend: »Ich werde mein Bestes tun, Wally. Ich verspreche es.«
    Sie hatte keine Ahnung, wer Alec war oder was er mit Zanana zu tun hatte, aber es schien den alten Mann zu beruhigen, dem es jetzt offenbar unmöglich war, sich auf die verschwommene Vergangenheit zu konzentrieren. Er murmelte Unverständliches vor sich hin.
    Odette sorgte dafür, dass ihm Tee aufs Zimmer gebracht wurde, und die nächste halbe Stunde saßen sie neben seinem Bett, während Odette versuchte, mehr von dem alten Mann zu erfahren.
    Als sie sich schließlich von ihm

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