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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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verabschiedete, hielt er einen Moment lang ihre Hand fest. »Odette«, sagte er und schien wieder ganz klar zu sein, »schreiben Sie immer noch für diese Zeitschrift? Ich hab eine in meinem Schrank, mit Ihrem Namen drauf.«
    Odette hatte Wally nichts von dem Aufruhr um Zanana erzählt. Sie spürte, dass die Nachricht von einem möglicherweise bevorstehenden Abriss ihn zu sehr aufregen würde. »Ja, Wally. Ich schreibe immer noch für die
Gazette
 – warum?«
    »Eines Tages schreiben Sie über Zanana, ja?« Odette war verblüfft, aber bevor sie antworten konnte, wandte er sich ab und meinte mit einem Nicken zu sich selbst: »Sie ist die Richtige. Das weiß ich genau.«
    »Auf Wiedersehen, Wally. Ich komme Sie bald wieder besuchen. Passen Sie gut auf sich auf.« Aber Wally hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und war eingeschlafen. Odette verließ leise das Zimmer, Wallys Zimmerkamerad ließ immer noch sein rasselndes Schnarchen hören.
     
    Als Odette am Donnerstag das Rathaus erreichte, drängte sich eine Menschenmenge vor der bereits überfüllten Zuschauertribüne. Ein aufgeregter und gereizter Saaldiener versuchte die Menge zu beruhigen, die lautstark Einlass verlangte. Odette zeigte ihm ihren Presseausweis, zwängte sich durch die Tür und fand den für die Presse reservierten Tisch. Der Lokalreporter hatte seinen Block bereits geöffnet und rutschte auf der Bank ein Stück weiter, um ihr Platz zu machen. Sie stellten sich einander vor.
    »Das scheint ja ’ne tolle Sache zu werden. Hab noch nie so viel Interesse an einer Stadtratssitzung erlebt. Die sind wirklich gut organisiert.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf Mrs. Bramble und das »Rettet Zanana«-Komitee.
    Die Leute von der Bürgerinitiative füllten die gesamte Zuschauertribüne inklusive der Stehplätze und der Stufen aus. Sie waren mit Spruchbändern und Plakaten gekommen, doch man hatte sie gebeten, sie im Foyer zu lassen. Mrs. Bramble winkte Odette zu und hielt die gekreuzten Finger hoch. Odette lächelte zurück.
    Mehrere Stadträte hatten bereits Platz genommen, verglichen Notizen, lasen die Tagesordnung durch und unterhielten sich leise. Odette sah Mick O’Toole an einem für die Stadtverwaltung reservierten Tisch sitzen und zwinkerte ihm diskret zu.
    Im Mittelpunkt des Raumes stand ein kleiner, mit einem Tuch bedeckter Tisch, daneben eine Tafel, an der ein Gesamtgrundriss des Grundstücks von Zanana angeklammert war.
    Die restlichen Stadträte nahmen ihre Plätze ein, nur der Stuhl des Bürgermeisters war noch leer. Jetzt traf auch der Reporter vom
Sydney Morning Herald
ein, ein alter Hase in der Lokalberichterstattung, dem Odette schon bei verschiedenen Gelegenheiten begegnet war. Sie begrüßten sich und ließen sich dann rasch von dem Journalisten aus Kincaid, einem pensionierten Reporter, der mit Berichten aus dem Rathaus für den
Kincaid Courier
seine Rente aufbesserte, über die Stadträte informieren. Der Mann war mit Schuppen und Zigarettenasche bedeckt und schien sich bestens auszukennen.
    »Wir haben hier zwei Immobilienmakler, einen Bauunternehmer und einen Lehrer – unser radikaler Linker hier am Ort, der ganz auf der Seite der Bürgerinitiative steht, ein großer Anhänger von Jack Mundey, dem Grünen –, dann ist da der Vertreter der örtlichen Handelskammer, ein Drogist, zwei pensionierte Beamte, dann der Bürgermeister, und dann noch dieser gewitzte Schweinehund, Mr. Beck, besser bekannt als Mr. Big, ein Unternehmer, der mit gebrauchten Autos handelt und allem Möglichen, was während des Kriegs nicht so ganz koscher war, wenn Sie verstehen, was ich meine. Das wird bestimmt ein heißes Rennen werden.«
    Sie hatten es kaum geschafft, den Gesichtern Namen zu geben, als der Bürgermeister eintrat und die Sitzung mit übermäßigem Zeremoniell eröffnete. Auf der lärmenden Zuschauertribüne wurde es still. Odette sah Eden Davenport durch eine Seitentür hereinschlüpfen und war überrascht, dass sein Auftauchen ein flüchtiges Gefühl der Erregung in ihr verursachte. Er nahm den für ihn reservierten Platz neben einem schick gekleideten Herrn ein, und sie begannen sogleich eine geflüsterte Unterhaltung und sahen sich die Tagesordnung an. Odette vermutete, dass der andere der Vertreter von Hacienda war.
    Die Sitzung verlief in geordneten Bahnen, die ersten Tagesordnungspunkte wurden in der üblichen langweiligen Routineform abgehandelt. Dann war der Antrag für Zanana an der Reihe, und auf der Tribüne wurde es

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