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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Licht in das Dunkel zu bringen.
    Das erste Foto, das sie ihm zeigte, war eine verblichene sepiafarbene Aufnahme von Gladys Butterworth mit einem Baby im Arm, offenbar vor der Hintertür des Hauses aufgenommen. Auf der Rückseite standen ein Datum und ein Name – Alec.
    »Das ist dein Dad, und das muss die Küchentür von Zanana sein. Das ist Mrs. Butterworth. Kate muss das Foto gemacht haben.«
    Stundenlang gingen sie die Tagebucheinträge durch und betrachteten die Fotos, die Gladys Butterworth aufgehoben hatte – manche davon ovale Porträtaufnahmen von Robert und Catherine MacIntyre und ein Foto von den beiden in einem Studio mit Topfpalmen, Samtdraperien und römischen Säulen: Catherine saß auf einem Stuhl mit geschnitzter Rückenlehne, die Hände im Schoß, und Robert stand steif und ernst an ihrer Seite, eine Hand auf ihrer Schulter. Es gab auch ein paar Schnappschüsse aus den Gärten von Zanana, die Kate und Ben bei der Arbeit zeigten. Auf einem davon stand ein Korbwagen mit rundem Verdeck neben Kate auf dem Gartenweg.
    Eden betrachtete das Foto aufmerksam, nahm jede Einzelheit in sich auf. »Nicht auszudenken, dass ich fast dazu beigetragen hätte, das alles zu zerstören.«
    »Das wird wohl dein Vater sein, da in dem Korbwagen«, sagte Odette mit einem Lächeln. »Ich würde das Foto gerne für die Geschichte in der
Gazette
verwenden … wenn du damit einverstanden bist.«
    »In der
Gazette
?«, erwiderte Eden, als würde er nicht ganz verstehen, was sie meinte.
    »Es ist eine tolle Geschichte, Eden, und es wäre ein Jammer, sie nicht zu bringen«, meinte Odette beinahe flehend.
    Er sah sie nachdenklich an und lächelte dann. »Ja, du hast Recht. Die Presse wird sich bestimmt auf die Sache stürzen, also sollte ich mich wohl besser an die Vorstellung gewöhnen. Himmel, was für eine Nacht!«
    Er nahm Odettes Hände in die seinen. »Was soll ich sagen? Gibt es Worte, um zu beschreiben, was das alles für mich bedeutet? Ich glaube nicht.« Er drückte ihre Hände und flüsterte: »Danke.«
    Odette lächelte. »Keine großen Reden, bitte. Fahr nach Hause und ruf mich morgen an, dann fahren wir nach Zanana. Wir müssen dich dort noch für den Artikel fotografieren.« Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange, dann brachte sie ihn zur Tür. Vom Fenster aus sah sie ihn wegfahren und wusste, dass er in dieser Nacht nicht schlafen würde.
    Gedankenverloren schaute sie auf die leere Straße, bis das Klingeln des Telefons sie zusammenfahren ließ. Es war Mac Jeffersen, der Polizeireporter vom
Telegraph
.
    »Tut mir leid, dich so spät noch zu stören, Odette, aber ich dachte, die Sache könnte dich interessieren. Die Polizei hat heute Nacht eine Leiche aus dem Fluss geborgen, nicht weit von Zanana entfernt. Sie glauben, es sei die verrückte alte Dame, die da gewohnt hat.«
    Odette war wie betäubt. »Wann ist das passiert … ich meine, gibt es irgendwelche Anhaltspunkte?«
    »Die Wasserpolizei hat die Leiche vor drei Stunden gefunden. Sie schätzen, dass sie wohl seit zwei Tagen im Wasser lag. Sie haben den Anlegesteg überprüft und festgestellt, dass ein Teil davon weggebrochen ist. An den Bohlen hingen Fetzen ihres Kleides. Ein ziemlich eindeutiger Fall. Unfalltod durch Ertrinken, würde ich sagen.«
    »Danke, Mac. Gut, dass du angerufen hast. Traurige Sache, nicht?«
    »Ja, das stimmt. Gute Nacht, Odette.«
    Odette blieb mit dem Hörer in der Hand stehen. Sie war plötzlich vollkommen erschöpft. Es war ein unglaublicher Tag gewesen, der sie jedoch emotional sehr mitgenommen hatte.
    Sie brauchte eine Weile, bis ihr die volle Bedeutung des Anrufes klar wurde. Ihr war vage bewusst, dass der Tod Mary Dashfords Auswirkungen auf die Klärung der Zanana-Affäre haben würde, aber ihre Gedanken drehten sich nicht um Zanana, sondern um Mary.
    Sie empfand überwältigende Trauer und Mitleid mit dem Kind, das Mary einst gewesen war, dem Kind, das nur wenig besaß, dem die verlockende Aussicht gewährt wurde, alles zu haben, und das dann einfach fortgejagt wurde. Dann schossen ihr Bilder von den Menschen durch den Kopf, denen Mary Schaden zugefügt hatte – Kate, Ben, Alec und Eden.
    Es war einfach zu viel. Eine Träne rann ihr über die Wange. Odette wischte sie weg und ging wie benebelt ins Schlafzimmer. Sie schlüpfte aus den Schuhen, fiel aufs Bett und sank in einen erschöpften Schlaf.
     
    Am nächsten Tag trafen sich Eden, Odette und Max vor den Toren von Zanana. Ein Polizist hielt Wache am Tor

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