Das Drachentor
Sie schluckte und lächelte gerührt. »Haradon hat gesiegt! Die Barbaren aus Myrdhan sind vernichtet worden. Und in ein paar Wochen wird der König von Haradon uns besuchen! König Helrodir … dein Großcousin, fast dein Onkel, mein Engelchen.«
Ardhes lächelte. Königin Jale lächelte ebenfalls, und nicht einmal die Magd, die ihr die Kleiderschnüre festzog, konnte sie wie sonst in Rage bringen.
»Soll das heißen«, fragte Ardhes, »dass jetzt auch alle Elfen in Myrdhan sterben müssen?«
»Himmel, nein!« Königin Jale blickte in den Spiegel und zupfte an ihren Haaren herum. »In Myrdhan gibt es keine Elfen. Es ist ein Königreich der Menschen - ausschließlich der Menschen. Myrdhan ist nicht so wie die Inselreiche oder die westliche Wildnis, wo es Elfenstämme gibt und Menschen, ohne dass jemand weiß, wem das Land nun gehört. Aber was du wahrscheinlich meinst, ist, was wir davon haben, dass Haradon gewonnen hat?« Sie warf Ardhes einen tadelnden Blick zu. »Benutze deinen Kopf! Dein Kopf ist das Beste, was du im Leben hast, vergiss das niemals.« Mit einem missbilligenden Schnaufen drückte sie ihre Magd weg und strich sich selbst das Kleid glatt. Dann musterte sie sich skeptisch von allen Seiten im Spiegel. »Haradon hat Myrdhan besiegt und ist nun das mächtigste Menschenreich, richtig? Und wer ist von haradonischer Herkunft? Ich, deine Mutter! Und du, weil du meine Tochter bist. Awrahell steht, deinem Großcousin sei’s gedankt, unter dem Schutz von Haradon. Wenn Haradon mächtig ist, ist Awrahell das auch. Abgesehen davon«, fügte Königin Jale in einem Ton hinzu, der Ardhes aufhorchen ließ, »ist Haradon wie gesagt ein Menschenreich … und mein Cousin fühlt sich den Menschen von Awrahell verpflichtet. Nicht den Elfen.« Wieder lächelte Königin Jale sie an. Die Magd hatte sich inzwischen mit den Schuhen der Königin niedergekniet und half ihr hinein. »Wo hast du überhaupt gesteckt? Meine Magd hat mir gesagt, dass du nicht bei deiner Amme warst.«
Ardhes ging an eines der Fenster, durch die inzwischen bleiches Tageslicht fiel, und lehnte sich hinaus. Von hier aus konnte man die beiden kleinen Städte sehen, die nahe dem Schloss lagen, und die Dörfer, die sich über die felsige Landschaft zogen wie brauner Körnerstaub. Die Städte gehörten den Menschen. Es gab hier nur wenige Dörfer, die den Elfen gehörten - sie lebten zurückgezogen in den Bergen. »Ich war bei Vater.«
Königin Jale trat laut mit ihrem Schuh auf und drehte sich um. »Wieso?« Als Ardhes ihr einen Blick zuwarf, war das Gesicht der Königin hart geworden.
»Ich … hatte so eine komische Ahnung, dass etwas geschehen ist. Wegen des Boten, der die Nachricht vom Sieg gebracht hat. Ich wollte ihn fragen, was passiert sein könnte, denn da wusste ich es ja noch nicht.«
Eine Weile musterte die Königin ihre Tochter, unentschlossen, ob sie wütend oder belustigt sein sollte. Endlich entschied sie sich für ein schnaubendes Auflachen und kam auf Ardhes zu. Ardhes nahm die Arme vom Fenstersims. »Ihn fragen, was passiert sein könnte … hah! Dieser Dummschwätzer hat doch keine Ahnung.« Dicht vor ihr blieb die Königin stehen. Sie war eine große Frau. Sie beugte sich zu Ardhes herab und nahm ihr Gesicht in die Hand. »Ich will nicht, dass du zu ihm gehst und dir Flausen in den Kopf setzen lässt. Verstanden?«
Ardhes holte tief Luft, um ihre Würde nicht zu verlieren, während ihre Mutter ihr Gesicht drückte. Sie nickte.
»Hm.« Die Königin ließ sie los. »Hat er versucht, dir irgendwelche albernen Geschichten zu erzählen? Hat er diese scheußliche Sprache gesprochen?«
»Ja.«
»Wie hast du reagiert?«
»Ich habe ihn nicht verstanden. Und ich habe ihm gesagt«, fügte Ardhes hinzu, »dass er aufhören soll.«
Die Königin wandte sich ab und trat wieder vor den Spiegel, um ihre Frisur zu richten. »Geh einfach nicht mehr zu ihm, dann musst du ihm auch nicht sagen, dass er mit seinem Gefasel aufhören soll.«
Ardhes rieb sich die Wangen, in denen die Fingernägel der Königin leichte Abdrücke hinterlassen hatten. »Mutter?«
»Ja?«
»Nun … Hasst er dich eigentlich auch?«
Königin Jale stieß ein so plötzliches Lachen aus, dass Ardhes zusammenzuckte. »Es war eine Zweckehe, mein Liebes«. Dann ließ sie die Hände sinken und drehte sich Ardhes zu. »Der König kann uns beide nicht leiden, dich und mich. Aber ich liebe dich. Du hast gar nichts von ihm.«
Solange Ardhes denken konnte, hatten die Leute
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