Das Drachentor
stumpf wie eine Maske.
»Was ist passiert?«, fragte ein alter Mann mit sorgenvoller Miene. »Hast du gesehen, was mit dem Dorf geschehen ist?«
Alasar vermied den Blick des Alten. Gedankenverloren sah er zu, wie Magaura sich um seinen Arm schlang und ihn so fest hielt, als könne er ihr plötzlich davonrennen.
»Ich werde zu den anderen Dörfern gehen«, erklärte er plötzlich. »Die Haradonen haben sie sicher auch überfallen und es wird Verwundete geben. Wir sollten sie herbringen, außerdem gibt es dort noch mehr Vorräte für uns.«
Da die Alten und die Schwangeren nicht gut laufen konnten, ging Alasar nur mit einer Gruppe Kinder los. Sie wanderten den ganzen Morgen durch, bis sie das nächstliegende Dorf erreichten. Still lag es vor ihnen, ein verkohltes Gerippe, genau so, wie Alasar sein Dorf das letzte Mal gesehen hatte.
Schweigend trat die Gruppe durch das Tor. Rauchsäulen stiegen aus den Trümmern. Getötete Krieger, Dorfbewohner, auch Pferde- und Drachenkadaver übersäten den Boden. Umgeknickte Fahnen flatterten. In der Glut schmolzen Helme zu schaurigen Totenköpfen.
Alasar blieb stehen und ließ die Augen über die Zerstörung wandern. »Durchsucht die Hütten. Nehmt alle Vorräte und Waffen mit, die ihr finden könnt, und bringt die Verwundeten her.«
Zögerlich begannen die Kinder, in den Trümmern zu suchen. Alasar zückte sein Messer und ging selbst in das nächste Haus. Die Wände waren vom Feuer schwarz gestrichen. Alasar stolperte über einen niedergestürzten Balken. Asche wirbelte auf und er musste husten. Seine Augen begannen zu tränen. Es dauerte einen Moment, bis er in der Dunkelheit etwas erkennen konnte.
Langsam bahnte er sich einen Weg durch die Kammern. Er hob zerbrochene Töpfe und Schüsseln auf, schob sich an umgekippten Betten vorbei und tastete mit dem Fuß den Boden ab. Schließlich fand er einen ganzen Haufen kostbares Holz, das wie durch ein Wunder vom Feuer unberührt geblieben war. Er zerrte eine halb verbrannte Decke unter einem Kessel hervor und schichtete die Holzscheite darauf auf, um sie hinauszuziehen. Er atmete Asche ein und hustete. Rasch arbeitete er weiter. Der Schweiß malte helle Streifen auf sein verrußtes Gesicht. Er war so beschäftigt, dass er nicht das leise Ächzen hörte …
Plötzlich knarrten die Bodendielen. Alasar fuhr herum. Das Herz blieb ihm stehen - nicht einmal zu einem Schrei war er fähig. Vor ihm hatte sich ein haradonischer Krieger aufgebaut. Sein Atem ging schwer und rasselnd. Blutige Rinnsale verkrusteten das Gesicht und in seinen Augen glänzte bereits der Tod. Alles ging zu schnell - mit beiden Händen hob der Haradone die Axt über Alasar. Gelähmt vor Schreck, erwartete er den Schmerz.
Die Axt kam auf ihn zu, da stieß der Krieger ein Keuchen aus, taumelte zur Seite und fiel der Länge nach zu Boden. Die Axt sauste um Haaresbreite an seinem Kopf vorbei. Endlich konnte Alasar sich wieder bewegen - er strauchelte und wich keuchend zurück. Ein langer Holzsplitter steckte dem Mann im Rücken. Japsend wie ein erstickender Fisch lag er auf dem Bauch und versuchte, seine Axt zu ergreifen.
»Alles in Ordnung?«, fragte eine zitternde Stimme. Vor Alasar stand ein Junge aus seinem Dorf.
Bevor Alasar antworten konnte, hatte der Haradone seine Axt gepackt und sich umgedreht. Alasar hob sein Messer auf und stieß es ihm bis zum Heft in den Hals. Der Krieger würgte und ließ die Axt fallen. Dann sank er zurück. Er war tot, noch bevor er die Augen schließen konnte.
Starr blickte Alasar dem toten Mann ins Gesicht. »Du hast mir das Leben gerettet«, murmelte er zerstreut und sah zu dem Jungen auf. Er war zwei oder drei Jahre jünger und hieß Rahjel. »Ich … Danke.«
Ein unsicheres Lächeln huschte über Rahjels Gesicht. Vorsichtig machte er einen Bogen um den Toten und kam auf Alasars Seite. Sie blickten sich an, verwirrt und erleichtert und entsetzt.
Schweigend zogen sie die Holzscheite aus dem Haus und auch später schwiegen sie über den haradonischen Krieger. Alasar aber vergaß es niemals, weder das Blut, das an der Klinge seines Messers trocknete, noch den Jungen Rahjel, dem er sein Leben zu verdanken hatte.
Die Kinder durchsuchten drei weitere Nachbardörfer und gewöhnten sich allmählich an das leise Wimmern der Sterbenden, das Klagen der Verwundeten und den Gestank des Krieges. Mechanisch durchwühlten sie die Trümmer, und als sie zur Abenddämmerung heimkehrten, zog jeder von ihnen lange Planen und Decken hinter
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