Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
…« DS Gillis zupfte grinsend an seinem Wikingerbart. »Wir haben eine! Endlich haben wir eine.«
»Hervorragend.« Dickie stand auf, packte meine Hand und schüttelte sie kräftig. » Endlich ein forensischer Beweis. Ein richtiger, echter Sachbeweis. Keine halb vergessenen Zeu genaussagen, keine unscharfen Aufnahmen von Überwa chungskameras, auf denen rein gar nichts zu erkennen ist – nein, konkretes Beweismaterial.« Er ließ meine Hand los, und einen Moment lang sah es so aus, als wollte er mich umarmen.
Ich wich einen Schritt zurück. »Wir haben noch eine weitere Leiche gefunden. Um drei Uhr heute früh, in der gleichen Gegend.«
Sabir klappte mit einer Hand den Laptop auf, in der anderen den halb aufgegessenen Burger. »Wo?« Die Finger seiner linken Hand tanzten über die Tastatur, ein an der Decke mo ntierter Projektor erwachte surrend zum Leben und verwandelte die Wand neben der Tür in eine einzige große Leinwand, auf der sich die Startseite von Google Earth aufbaute.
Ich setzte mich auf die Kante eines Tischs. »McDermid Avenue.«
»McDermid Avenue …« Ein wenig Tastengeklapper, dann schwenkte das Bild zum Nordosten von Schottland und zoomte auf Oldcastle, mit dem glitzernden, gewun denen Band des Kings River, der die Stadt zweiteilte. Immer näher heran, bis der Castle Hill die ganze Wand ausfüllte – die gewundenen Kopfsteinpflaster-Straßen um die Burg herum, die grüne Fläche des King’s Park, der rechteckige Sechzigerjahre-Klotz des Krankenhauses. Noch näher – von Bäumen gesäumte Straßen, Reihenhäuser aus Sandstein mit Schieferdächern und langgezogenen Gärten. Die McDermid Avenue erschien genau in der Bildmitte und wurde immer größer, bis man einzelne Autos erkennen konnte. Die Häuser grenzten an ein Rechteck mit Buschwerk und Bäumen – ein verwilderter Park, durchzogen von einem Netz von Wegen.
DCS Dickie ging zur Leinwand und trat so nahe heran, dass er einen Schatten auf die projizierte Straße warf. »Wo ist der Leichenfundort?« Er trat von einem Fuß auf den anderen und rieb die Fingerspitzen aneinander.
Wahrscheinlich dachte er, damit wäre der Käse schon gegessen: Wir müssten lediglich das Haus identifizieren, in dem die Leiche verscharrt war, dann herausfinden, wer vor neun Jahren dort gewohnt hatte, die Leute verhaften – und alle könnten zufrieden nach Hause gehen. Er tat mir fast leid.
Ich schob Sabir zur Seite, wischte die Sesamkrümel von der Laptop-Tastatur und schwenkte den Mauszeiger auf die Parklandschaft hinter den Häusern. Zwei oder drei Zentimeter neben der Ruine eines Konzertpavillons, tief in einem Brombeerdickicht, machte ich einen Doppelklick. Das Bild zoomte noch ein Stück heran, doch die Auflösung des Satellitenfotos war zu gering, sodass sich alles in große, unscharfe Pixel verwandelte.
Dickie ließ ein wenig die Schultern hängen. »Oh …«
Doch nicht ganz so einfach.
Ich zoomte wieder heraus, bis die McDermid Avenue nur noch eine von mehreren Straßen war, die alle an den Park grenzten: Jordan Place, Hill Terrace und Gordon Street.
Die Frau mit der Topffrisur stieß einen Pfiff aus. »Das dürften schätzungsweise … sechzig, achtzig Häuser sein, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. »Viele dieser Häuser wurden in den Siebzigerjahren in Wohnungen aufgeteilt; wir haben es also mit rund dreihundert Haushalten zu tun, die alle Zugang zum Park haben.«
»Scheiße.«
Eine kleine Pause, dann reckte Byron das Kinn in die Höhe. »Ja, aber immerhin haben wir jetzt einen Anfang, nicht wahr? Wir haben dreihundert mögliche Spuren, vorher hatten wir null. Wenn das kein Erfolg ist.«
Ich rollte den Klumpen Blu-Tack zwischen den Handflächen, bis er klebrig war, zerriss ihn in vier Stücke und heftete das Blatt Papier an die Wand. Jetzt war der Satz komplett: Acht selbst gebastelte Geburtstagskarten, mit dem Hotelkopierer auf A3 vergrößert. Ich hatte sie in zwei Viererreihen angeordnet, die älteste oben links, die jüngste unten rechts. Bei allen Polaroids war in der oberen linken Ecke eine Zahl eingeritzt: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8. Eine für jedes Jahr, acht Jahre insgesamt.
Die erste Karte zeigte Hannah Kelly in einem verdreckten Zimmer an einen Stuhl gefesselt, die Augen weit aufgerissen, glitzernde Tränen auf den Wangen, der Mund von einem rechteckigen Stück Klebeband bedeckt. Auf dieser Aufnahme war sie vollständig bekleidet; sie trug dieselben Sachen, die sie am Tag ihres Verschwindens angehabt hatte: kurze hell braune
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