Das duestere Vermaechtnis
und wandte sich an Gina. »Und Sie sind die Zeugin?«
»In gewisser Weise ja. Ich hörte Lärm, kam heraus und dachte im ersten Moment, ich hätte die beiden auf frischer Tat ertappt.«
»Doch in Wirklichkeit war der Einbrecher längst verschwunden und die beiden Juniordetektive haben bereits den Tatort untersucht«, vermutete der Officer.
Bob nickte. »So könnte man es ausdrücken. Wobei ich mich für das kleine Durcheinander, das ich in der Hütte angerichtet habe, in aller Form entschuldigen möchte.«
»Dann wollen wir dort mal nach dem Rechten sehen!« Der Officer bat Ralph in die Hütte und forderte ihn auf, sich genau umzusehen. Auf den ersten Blick fehlte nichts. Offenbar hatten Peter und Bob den Einbrecher rechtzeitig genug gestört. Einzig die vielen herumliegenden handbeschriebenen Blätter machten Ralph Sorgen. »Es ist das Manuskript unseres nächsten Theaterstückes«, erklärte er und sammelte die Papiere zusammen. »Ich lese es gerade. Wir wollen es möglichst schnell aufführen. Uraufführen.«
»Uraufführen?«, fragte der Officer. Ihm sagte das nichts.
Ralph nickte ungeduldig. »Ein vollkommen neues Stück. Bisher haben es nur unser Regisseur und ich gelesen. Angeschaut hat es noch kein Mensch. Gelinde gesagt handelt es sich um eine Sensation. Es ist eine große Ehre für unser kleines, aber ruhmreiches Theater: Scott Carrara, der bekannte Drehbuchschreiber aus Hollywood, hat uns sein letztes Werk zur Erstaufführung hinterlassen. Er ist kürzlich gestorben und wir setzen alles daran, das Stück schnell in unser Repertoire zu nehmen. Ich denke, in gut einer Woche sind wir so weit.«
Bob hob eines der übrig gebliebenen Blätter vom Boden auf. Der Text war in krakeligen, großen Buchstaben notiert. »Besaß der Autor keinen Computer?«, fragte er.
Ralph schüttelte den Kopf. »Scott verbrachte die letzten Jahre in einem Pflegeheim. Einen Computer konnte er nicht mehr bedienen, dafür zitterte er zu stark. Er hat alles per Hand notiert, aber so unleserlich, dass man sich richtig einlesen muss. Als Scott gestorben war, erhielt ich per Post ein Päckchen seines Rechtsanwalts und darin lag das Manuskript. Es gibt offenbar kein zweites Exemplar. Ich bin heilfroh, dass es nicht gestohlen wurde.«
»Hoffentlich ist noch alles da«, sagte Bob. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er durch seinen Sturz auf den Schreibtisch das Durcheinander angerichtet hatte. Zusammen sammelten sie die restlichen Papiere ein. Ralph beschloss zu kontrollieren, ob alles vollständig war. Jeder außer Charly bekam einen Stapel, sogar die Polizisten. Dann führte Ralph die Gruppe nach draußen zu einem im Schatten der Bäume gelegenen Platz, auf dem zwei Bänke und ein großer Holztisch standen.
»Unser Meeting-Point«, erklärte Ralph mit einer ausladenden Geste. »Setzen wir uns am besten hier hin.«
Ralph rief die Seitenzahlen auf und jeder sah nach, ob er fündig wurde. »Das Titelblatt! Das düstere Vermächtnis .«
»Hier!« Peter hatte das Blatt mit der geheimnisvoll klingenden Überschrift gleich entdeckt.
»Das Inhaltsverzeichnis!«
»Auch bei mir!«
Es lief wie am Schnürchen. Viele Seiten befanden sich noch in der richtigen Reihenfolge. Nach fünf Minuten war Ralph kurz vor dem Ende des Manuskriptes angelangt. »217 …«
»Hier«, sagte Gina und reichte ihm das Blatt.
»218 …«
»Treffer!«, sagte Bob.
»219 …«
Niemand reagierte.
»219!«
»Wir haben kein Blatt mehr«, sagte Officer Franks.
»Und ich nur noch 220 und 221«, ergänzte Gina.
Bob und Peter schüttelten den Kopf. »Nichts.«
»Das gibts doch nicht!« Ralph drückte Gina den inzwischen nahezu kompletten Stapel Papier in die Hand, stürmte in die Hütte und stellte noch einmal alles auf den Kopf. Doch das Blatt blieb verschwunden. Missmutig tauchte er wieder auf.
»Hast du denn keine Kopie gemacht?«, fragte Gina.
Ralph warf ihr einen verzweifelten Blick zu. »Ich wollte alles morgen kopieren, nachdem ich das Stück zu Ende gelesen habe. Ich hatte nur das Original!« Er schüttelte den Kopf. »Zu blöde, dass Bob alles durcheinander gebracht hat!«
»Vielleicht taucht der Zettel ja noch auf«, versuchte Gina zu trösten und zog den nörgelnden Charly zu sich auf den Schoß. »Ich muss noch die Anzeige fertig texten. Außerdem brauche ich für die Presseerklärungen die Inhaltsangabe des neuen Stückes, Ralph. Am liebsten würde ich es lesen. Meinst du wirklich, dass wir es schon in einer Woche aufführen
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