Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
standen die beiden Fotos.
Immer dichterer Rauch umfing mich, als Aurelia mich fester packte und würgte. Wie ich mich auch drehte und wand, ich konnte sie einfach nicht mehr abschütteln. Nach einem Blick zu ihr begriff ich auch, warum. Sie hing in der Luft, schwebte über mir, ohne den Boden zu berühren. Ich keuchte, sammelte mich erneut und suchte in der Tasche nach meinem Messer. Es war nicht da! Mein Kopf fuhr herum, in die Richtung, aus der ich gekommen war. Es musste mir aus dem Kleid gerutscht sein, aber jetzt konnte ich nicht mehr zurück, um es zu holen.
Mit letzter Anstrengung richtete ich mich auf, widerstand Aurelias erdrückendem Griff und dem giftigen Rauch. Ich straffte die Schultern, lehnte mich zurück und holte Schwung. Und dann rammte ich mit aller Kraft den Absatz meines Stöckelschuhs in das Bild, mitten in Aurelias Herz. Das Glas zersprang, und ich durchbohrte das Foto. Als sich der Griff um meinen Hals lockerte, floss neue Leidenschaft durch meine Adern und durchdrang jeden Muskel, jede Faser meines Körpers. Ich trat erneut zu und zog den Absatz dann von oben bis unten durch die Aufnahme, immer und immer wieder. Etwas Schweres sank hinter mir zu Boden und kam krachend auf. Ich fuhr zu Aurelia herum. Nun sah sie zunächst ihrem Alter entsprechend aus, sie hatte sich in eine Mittvierzigerin verwandelt, und dann wurde sie langsam zu dem Monster auf dem Porträt. Sie lag am Boden und zerfloss, während der ganze Raum in Flammen stand. Trotzdem zeigte sie noch mit dem Finger auf mich.
»Wir sehen uns wieder, mein Lämmchen. Und bis dahin gibt es da draußen so viele andere wie mich. Jemand Neues wird meinen Platz einnehmen, und dann stehst du wieder mit dem Rücken zur Wand. Es wird nicht gut für dich ausgehen. Irgendjemand wird immer hinter deiner Seele her sein, du bist nämlich zu mächtig, um nicht zerstört zu werden.«
Mit diesen Worten begann die verrottende, zerfallende Gestalt Funken zu sprühen und zu brennen. Meine furchtbare Tat lähmte mich, auch wenn sie gegen ein so niederträchtiges Wesen gerichtet war. Schließlich kam ich aber wieder zu mir – ich musste hier raus. Selbst das Foto begann jetzt zu zerlaufen. Ich hockte mich hin und entdeckte dabei etwas Glitzerndes. Meine Halskette hing am Rahmen meines eigenen Porträts. Ich griff danach – obwohl Aurelia die Kette doch zerschnitten hatte, war sie jetzt intakt, so als ob sie zusammengewachsen wäre. Sie wiedererlangt zu haben, weckte neue Kräfte in mir. Da ich keine Zeit hatte, mich mit dem Verschluss aufzuhalten, wickelte ich sie mir einfach ums Handgelenk. Dann aber lenkte mich etwas Beunruhigendes ab. Mein Foto sah überhaupt nicht mehr aus wie vorher. Mir entfuhr ein Schrei, als mein Blick darauf fiel: Ich sah aus wie eine Version der Jeune Martyre , nur dass auf diesem Bild eben ich mit einem Heiligenschein am Boden lag.
Im vorderen Teil des Büros brach in diesem Moment ein Teil der Mauer ein. Ich rannte an den Überresten von Aurelia vorbei zum Schreibtisch und zerrte am Flachbildschirm, um den Zugang zum Tunnel zu öffnen. Der erschien mir nun am sichersten. Noch während ich mich an der Luke zu schaffen machte, bemerkte ich etwas auf dem Monitor. Die obere Hälfte zeigte weiterhin Alcatraz. Genau in diesem Augenblick kroch Lance mit einer geschmeidigen, flinken Bewegung vom Graben hoch – er musste im Wasser gelegen haben, um nicht entdeckt zu werden –, schloss, von Etan und seinem Gehilfen unbemerkt, die Tür auf und trat hinein. Bevor der wusste, wie ihm geschah, hielt Lance den Syndikat-Typen auch schon im Würgegriff und nahm ihm einen weiteren Schlüsselbund ab. Lance schleuderte den Mann zu Boden, duckte sich dann, tänzelte und wand sich, um Etans Fäusten auszuweichen, und warf schließlich das Fläschchen mit dem Blut um, das am Boden zerbrach und dabei auch den letzten Tropfen vergoss. Etan bückte sich nach den Scherben, um zu sehen, was noch zu retten war.
Dante hopste in der Zwischenzeit auf seinem Platz auf und ab, so als würde er Lance etwas zubrüllen. Der schien die Anweisungen zu befolgen, griff in Dantes Sakkotasche und zog ein scharfkantiges Blatt hervor, das er mit einer raschen Bewegung Etans Helfer in den Nacken rammte. Dann machte er sich an Dantes Fesseln zu schaffen, wurde aber von einem Schlag gegen den Kiefer zu Boden geschleudert. Dante holte ein weiteres Blatt aus seiner Brusttasche und stieß es Etan ins Herz. Der Chefkoch sank augenblicklich in sich zusammen. Unwillkürlich
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