Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
Fotos, das nun mit ihm hinunterstürzte. Ich sah ihn fallen, aber es schien in Zeitlupe zu geschehen, wie bei einer Feder, die ganz langsam zu Boden sinkt. Sein Blick ließ den meinen nicht los, bis er schließlich, ganz plötzlich von den Feuern verschlungen wurde.
Wieder stiegen mir Tränen in die Augen. Ich wusste nicht, ob ich das Richtige getan hatte, ich wusste überhaupt nicht mehr, was richtig oder falsch war. Aber wenn er je zurückkehrte und dieser Dimension des Daseins entfliehen wollte, dann würde ich ihm helfen. Das hatte ich jetzt schon gewollt, aber er war eben noch nicht bereit gewesen.
Lance berührte mich am Arm und drückte ihn, so als wolle er wieder Leben in mich pumpen und mich daran erinnern, dass jetzt keine Zeit zum Trauern blieb. Er zog mich vom Abgrund weg und schlug die Tür zu, schob den Riegel vor und schloss ab. Die ganze Zeit stand ich völlig reglos da.
»Ich weiß, dass sich das jetzt falsch anfühlt«, versetzte er sanft, »aber es war das Richtige.« Ich nickte. »Und jetzt muss es weitergehen. Hast du dein Messer noch?«, fragte er und versuchte, uns wieder darauf einzustimmen, was in diesem Moment wichtig war. Ich konnte nicht sprechen, also nickte ich noch einmal. Langsam schob ich die Hand in die Tasche. Da war es. Lance klappte sein eigenes Messer zu. »Viel Glück, Haven. Du schaffst das.«
Dann gingen wir getrennter Wege, denn noch war es nicht überstanden. Vorher warf ich noch einen letzten Blick zurück zur großen Tür und schüttelte dann den Kopf, schüttelte Arme und Beine aus, um das alles von mir abzustreifen. Ich gab mein Bestes, um Lucian jetzt auch aus meinen Gedanken zu verbannen.
34
Eine Absage ohne jedes Bedauern
Z um Glück hatte Beckett wohl nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass ich seinen Angriff überleben würde. Als ich mich der Tür zu Aurelias Büro näherte, war sie nicht nur unbewacht, es stand nicht einmal jemand an der Rezeption. Das gab mir einen Kick – so unterschätzt zu werden, verschaffte mir einen weiteren Vorteil. Ich nahm all meine Kraft zusammen und versuchte, Schmerz, Müdigkeit und Angst zu verdrängen. Denk doch nur daran, was du da gerade getan hast. Du hast alle besiegt, also kannst du auch das schaffen, sagte ich mir.
Ich hob die Hand, klopfte um alter Zeiten willen an und öffnete dann einfach die unverschlossene Tür. Mit dem Rücken zu mir saß Aurelia am Tisch und betrachtete den Flachbildschirm an der Wand, der offensichtlich repariert worden war. Sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter und war verblüfft, mich zu sehen, bemühte sich aber, ihr Erstaunen zu verbergen.
»Haven?« Sie klang ein kleines bisschen alarmiert, aber fast schon wieder gefasst. »Mit dir hätte ich jetzt wirklich nicht gerechnet. Aber vielleicht würdest du dir das gerne mit mir anschauen, wenn du schon mal da bist.«
Ich bewahrte eine unbewegte Miene, als mein Blick auf den Monitor fiel – statt der Presseausschnitte und der üblichen Endlosschleife, die sonst über diesen Bildschirm flackerten, zeigte er nun Aufnahmen von Sicherheitskameras. In der oberen Hälfte war der Ballsaal zu sehen. Ich trat ein paar Schritte vor, aber es gab keinen Zweifel: Das war Dante, der gerade von Etan und einem seiner Spießgesellen, einem neuen Rekruten, aus dem Saal gezerrt wurde. Mir blieb fast das Herz stehen.
»Oh, diese Show wirst du lieben. Setz dich doch und leiste mir Gesellschaft«, schlug Aurelia vor. »Das wird ein Spaß! Ich bring dich kurz auf den neuesten Stand: Dass sie ihn rausführen, hat gerade für ziemliches Aufsehen gesorgt, aber es glauben anscheinend alle, er hätte unerlaubt getrunken. Du weißt ja, wie das läuft.«
»Was soll das? Was machen die mit ihm?« Die Fragen entfuhren mir unwillkürlich, ich erwartete aber keine Antwort.
Den Blick noch immer auf den Monitor geheftet lehnte Aurelia sich zurück. »Und gleich wird er einer von uns. Vor ein paar Tagen wurde Dante nach seiner kleinen – na ja, sagen wir mal, Lebensmittelvergiftung – Blut abgenommen. Zu schade. Jetzt kann ich dir ja ruhig verraten, dass einer der Sanitäter zu uns gehörte.« Mein Verstand versuchte fieberhaft, die Dimensionen dieser neuen Informationen zu erfassen. »Also wird es jetzt ganz einfach sein, ihn in unsere Reihen aufzunehmen. Sein Einverständnis hat er uns ja schon vor Wochen gegeben, und nachdem wir jetzt auch sein Blut haben, ist die Kodierung wohl perfekt.« Nun sah sie mich mit ihren harten, leuchtend blauen Augen an. Sie
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