Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
wieder schürte sie ihre Wut, um weitermachen zu können.
Und sie hatte weitergemacht – bis zu diesem Tag. Denn sie hatte beim Blut ihrer Mutter geschworen, dass sie die anderen Frauen, die sie brauchten, nicht im Stich lassen würde. Dass sie allein bleiben und kämpfen würde.
Fél ku kuuluaak sívam belsó – Geliebte, hörte sie Dominics Stimme in ihrem Bewusstsein. Wie sanft und zärtlich sie klang! Du bist nicht mehr allein. Ich sehe dich. Ich höre deine Schreie, und ich teile deine Qual.
Sie konnte an seiner Stimme hören, wie wahr die Worte waren. Dominic hatte ihre Erinnerungen geteilt. So gewalttätig und lebhaft wie sie waren, mit jeder Einzelheit, die in ihrer Erinnerung eingebrannt war, hatte sie seinen Schlaf gestört und ihm diese Gräuel aufgedrängt. Seine eigene geliebte Schwester und ihr Seelengefährte waren ihm entrissen worden. Dominic hatte mehrere Lebzeiten damit verbracht, nach ihr zu suchen, nur um herauszufinden, dass sie vor langer Zeit gefoltert und ermordet worden war. Ja, er kannte die Qual und den Kummer, die Solange beherrschten, das langsame Absterben von allem Guten.
Sie drückte den Quilt an ihren Mund und wiegte sich noch immer langsam hin und her. Wenn sie im Dunkeln zu Dominic hinüberblicken würde, würde sie ihn mit ihren Katzenaugen sehen, aber das wollte sie nicht. Er lag ohne Herzschlag, ohne Atmung da … wie tot. Solange könnte es nicht ertragen, Dominic so zu sehen. Nicht jetzt. Nicht, wenn die Vergangenheit noch so nahe war und das Ende ihres eigenen Lebens näher rückte.
Du siehst nicht den Tod, evio päläfertiil – Seelengefährtin. Die Erde hält mich nur in ihren Armen und heilt mich. Sie ernährt mich auf ihre Weise. Das ist Leben, nur eine andere Art als das Leben, das du kennst.
»Ich muss hinausgehen und frische Luft schnappen.« Sie konnte nicht schlafen. Sie musste sich in ihrer Katze verlieren, den Regenwald durchstreifen und – ihn suchen.
Das glaube ich nicht, meine kleine Katze. Wenn du dich verwandeln musst, dann folge diesem Instinkt, besonders, wenn es dich beruhigt, aber in deiner momentanen Gemütsverfassung kannst du nicht hinausgehen und ihn jagen. Du würdest umgebracht werden. Du suchst den Tod.
»Das könnte wahr sein«, sagte sie laut. »Doch leider liegst du dort, tot oder nicht tot, und kannst mich nicht aufhalten.«
Aber er schien eher belustigt als verärgert zu sein. Ich bin ein uralter Karpatianer, minan, und weitaus mächtiger, als du dir vorstellen kannst. Außerdem bin ich dein Seelengefährte, und es ist meine Pflicht, dich zu beschützen. Glaub nicht, nur weil ich sanft zu dir bin, hätte ich nicht die Fähigkeit, für deine Sicherheit zu sorgen.
Hätte jemand anderes das zu ihr gesagt, hätte Solange ihm ins Gesicht gelacht, aber Dominic war Karpatianer, und sie hatte seine Macht gesehen und gespürt. Und er besaß einen Einfluss auf sie, den sie immer noch nicht ganz verstand.
Du kannst es natürlich versuchen, Solange, doch damit würdest du meinen Wünschen zuwiderhandeln und mich enttäuschen. Wieder lag weder Ärger noch Kritik in seiner Stimme; er wartete einfach nur darauf, dass sie ihre Entscheidung traf.
Ihr Herz verkrampfte sich. Der Schmerz war so real, dass sie den Quilt, den sie umklammerte, noch fester an sich drückte und ihr Gesicht in dem weichen Material verbarg. Aber sie weinte nicht.
Dominics Arm bewegte sich. Sie spürte es, und als er ihr Haar berührte, fühlte sie auch, welch enorme Anstrengung es ihn kostete. Ich hatte noch nie das Vergnügen, neben einem Jaguar zu liegen.
Das war alles. Ein paar simple Worte, aber Solange schloss die Augen und war froh, sich irgendwie beschäftigen zu können, um die Erinnerungen noch weiter zu verdrängen. Und so holte sie tief Luft und zwang sich, Dominic anzusehen.
Er war so schön. Jeder Muskel war wie gemeißelt, und neben seiner breiten Brust und den kräftigen Armen fühlte sie sich verhältnismäßig schmal – fast schon feminin. Sie beugte sich über ihn, sodass ihre Brüste seinen Oberkörper berührten, und kroch fast auf ihn, um sein Gesicht noch genauer anzusehen. Seine Augen waren geschlossen, aber sie spürte, dass er sie sah. Vielleicht war er wirklich nur in ihrem Geist, doch es fühlte sich ganz anders an. Für sie war es so, als erfüllte seine Macht die ganze Kammer und umgäbe sie mit Wärme und Akzeptanz.
Er hielt nicht weniger von ihr, weil sie weinte. Oder tobte. Oder tötete. Er akzeptierte alles an ihr. Er würde bestimmt
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