Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
Gesichter, denn im Gegensatz zu ihm würde Solange atmen müssen. Dominic bewegte sich, und die fast schmerzhaften Bedürfnisse seines Körpers bewegten sich mit ihm.
»Ich könnte …« Sie brach ab, als er seine Hand an ihren Kopf legte und ihn an seine Brust drückte.
»Du wirst mich nicht in Versuchung führen, Solange. Ich kämpfe mit meiner Ehre. Ehre ist etwas sehr Wichtiges für mich. Und du – du bist mein kostbarstes Geschenk. Ich könnte nicht mehr mit mir leben, wenn mein Egoismus dich gefährden würde. Schlaf nur, und es wird mehr als genug sein, dich in den Armen zu halten.«
In ihrem gemeinsamen Traum hatte er ihr vorgesungen, und jetzt sang er wieder – sein ganz besonderes Lied für sie. Alles, was er seiner Seelengefährtin schon immer hatte sagen wollen, legte er in die bestrickend schöne Melodie.
Ich war tausend Jahre lang nur halb am Leben
und hatte die Hoffnung aufgegeben,
dass wir uns in dieser Zeit begegnen würden.
Zu viele waren die Jahrhunderte.
Alles verschwindet, wenn Zeit und Dunkelheit
die Farbe und die Verse stehlen.
8. KAPITEL
Kannst du etwas Schönes finden
an dieser robusten Frau?
Kannst du eine Gestaltwandlerin wie mich
zu lieben lernen?
Solange an Dominic
D ie weibliche Raubkatze roch Blut. Der Geruch stieg ihr in die Nase, und sie beschleunigte die Schritte und achtete darauf, nicht zu fallen, als sie sich durch Gestrüpp und Unterholz kämpfte. Die Tiere, die vor ihr davonflitzten, beachtete sie nicht. Sie hatte keine Zeit, sie zu jagen, das Einzige, was sie interessierte, war, zu ihrer Mutter zu gelangen. Nach vier langen Jahren hatte sie endlich ihre Spur gefunden. Tante Audrey war bei ihr, und Juliette folgte ihnen und behielt Jasmine im Auge, die ja noch so klein war.
Solange hatte stundenlang mit ihrer Tante diskutiert, aber schließlich war sie ja auch erst zehn und Audrey die Erwachsene. Sie wusste, dass sie Jasmine nicht auf die Rettungsaktion hätten mitnehmen sollen, doch andererseits hatten sie auch keinen sicheren Ort, um sie zurückzulassen. Darin hatte Audrey recht, aber die Anwesenheit des kleinen Jaguars verdoppelte die Gefahr für alle.
Schon jetzt war Solanges Jaguar eine gute Kämpferin, und auch sie hatte gelernt, mit Waffen umzugehen, insbesondere mit Feuerwaffen. Sie übte Tag und Nacht und verbrauchte unzählige Schachteln Munition, an die nur schwer heranzukommen war. Wenn sie keine Schießübungen machte, warf sie Messer oder übte im Wald das Anschleichen und Aufspüren. Manchmal kam sie einem männlichen Jaguar dabei so nahe, dass sie nur die Hand ausstrecken müsste, um ihn zu berühren, aber die Jaguarmänner bemerkten nie etwas von ihrer Gegenwart. Audrey bestrafte sie oft dafür, doch das kümmerte Solange nicht. Nur der eine Wunsch trieb sie an: Sie wollte ihre Mutter zurückholen.
Solange sprang von einem Ast zum nächsten und schließlich auf den Urwaldboden. Die ganze Umgebung war durchdrungen von dem Geruch des männlichen Jaguars. Das Herz schlug Solange bis zum Hals. Ihre Mutter … Solange liebte sie über alles, und sie hatte geschworen, sie zu befreien, als sie vor ihrem toten Stiefvater und ihren toten Brüdern gestanden hatte. Sie hatte sich so oft hinausgeschlichen, war tagelang im Inneren des Regenwaldes verschwunden und hatte die Jaguarmänner verfolgt. Sie blieben nie lange an einem Ort, und Solange wusste, dass sie ihre Mutter nie wieder zurückbekommen würde, wenn sie diese Gelegenheit verpasste – nun, da sie endlich die Witterung ihrer Mutter aufgenommen hatte.
Audrey war hin- und hergerissen gewesen zwischen dem Wunsch, die Kinder zu beschützen, und dem, ihre Schwester zurückzuholen. Am Ende hatten Juliette und Solange sie überredet, oder vielleicht war es auch das Wissen gewesen, dass Solange notfalls allein gegangen wäre. Ihre Kindheit war dort auf der Lichtung zwischen den Leichnamen ihrer geliebten Familie und Freunde zu Ende gewesen. Solange schlief nie ein, ohne die Schreie der Toten und Sterbenden zu hören oder die Qual ihrer Mutter, als die Jaguarmänner ihr die Tochter entrissen und sie ins Haus geschleppt hatten, um sie zu foltern.
Solange wusste jetzt, wohin die Spur führte. Die Männer verlegten ihre Gefangenen oft, aber sie benutzten schon vorhandene Gebäude, wenn sie unterwegs waren. In der Nähe gab es eine alte Hütte, die hoch oben in den Bäumen und fern des Waldbodens errichtet worden war. Sie wurde nur noch selten benutzt, doch die Jaguare wussten zweifellos von ihr, und es war
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