Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
den Fluss zurannte. Wir dachten, es sei vielleicht ihr Mann, der Mensch, von dem sie sprach, der gekommen war, um sie zu retten. Für den Kampf mit ihm brauchten wir keine Waffen, also verwandelten wir uns beide. Wir dachten, so würden wir im Dschungel schneller vorankommen als Annabelle, selbst wenn sie sich auch verwandelte.«
Das war gut gedacht, gab Dominic von seinem hohen Platz aus zu, doch sie hatten die Frau trotzdem verloren.
Brodrick schüttelte den Kopf. »Wie wurde Brad angeschossen? Und wo ist Tonio?«
Kevin seufzte. »Wir fanden seine Leiche jenseits der Höhlen. Er hatte sich mit einer anderen Katze angelegt. Brad kniete neben ihm, und das Nächste, was ich weiß, ist, dass er auf dem Boden lag und irgendwer uns niederhielt. Ich hatte keine Waffe. Deshalb verwandelte ich mich, um mich im näheren Umkreis umzusehen, aber ich konnte keine Spuren finden.«
Brodrick fluchte. »Sie war’s. Sie ist dafür verantwortlich. Ich weiß, dass sie es war. Deshalb hast du keine Spuren gefunden. Sie hat sich in die Bäume verzogen.«
Keiner präzisierte, wer sie war, aber Dominic wollte wissen, wer diese mysteriöse Frau war, die sie offensichtlich hassten – und fürchteten. Bestimmt jemand, den er gern kennenlernen würde. Vier der fünf Brüder de la Cruz hatten Seelengefährtinnen. Könnte die Unbekannte eine dieser Frauen sein? Möglich war es, doch Dominic glaubte nicht so recht daran. Die Brüder de la Cruz würden nicht zulassen, dass ihre Gefährtinnen kämpften. Sie waren Männer mit sehr fürsorglichem, beschützerischem Wesen, und in diese Welt zu kommen, hatte ihre dominierenden Tendenzen höchstens noch verstärkt. Sie hatten acht Länder zu überwachen, und die Brüder Malinov würden wissen, wie unmöglich es war, jeden Quadratmeter des Regenwaldes zu kontrollieren. Nein, die Brüder de la Cruz würden niemals, unter gar keinen Umständen ihre Gefährtinnen allein hinausschicken. Diese geheimnisvolle Frau, von der die Rede war, musste jemand anderes sein.
Der Adler breitete seine gewaltigen Schwingen aus und erhob sich in die Luft. In der nachlassenden Sonne fühlte er sich ein wenig besser, aber das Gewisper der Parasiten wurde lauter, verführerischer und steigerte seinen Hunger zu einer regelrechten Gier, bis er kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Es war nur die Gestalt des Vogels, die ihm half, nicht den Verstand zu verlieren, als er sich an das zunehmende Maß an Qual zu gewöhnen versuchte. Wenn die Nacht näher rückte, wurden die tagsüber eher schwerfälligen Parasiten aktiv und stachen in seine inneren Organe, und das Vampirblut brannte ihm wie Säure in den Adern. Dominic musste Nahrung suchen, aber er befürchtete immer mehr, dass er langsam den Verstand verlor und nicht die Kraft finden würde, der Versuchung zu widerstehen, während der Nahrungsaufnahme zu töten.
Zur Abenddämmerung erwachte er stets mit einem unbändigen Hunger, und wann immer er Nahrung aufnahm, wurden die Parasiten lauter, drängten ihn, zu töten und den Rausch der Macht zu spüren, den legitimen Rausch der Macht. Sie versprachen ihm süße Kühle in seinem Blut und ein Gefühl der Euphorie, das allen Schmerz aus seinem müden Körper nehmen würde.
Dominic hielt sich im Schatten des Blätterdaches, erweiterte seine Erkundung auf den Schauplatz des Kampfes und hoffte, dass der Adler etwas entdeckte, was den Männern entgangen war. Und tatsächlich fand er Eingänge zu Höhlen, die sehr klein und aus Kalkstein waren, aber nicht tief genug unter die Erde zu reichen schienen, um das Labyrinth von Tunneln zu erzeugen, wie das meilenweit entfernte Höhlensystem es erschuf. Es gab nur drei kleine Kammern, und in jeder von ihnen entdeckte Dominic Maya-Kunstwerke an den Wänden. Alle drei Höhlen ließen Anzeichen erkennen, dass sie einmal bewohnt gewesen waren, doch sie zeugten auch von Gewalt, denn in allen fand er Flecken getrockneten Blutes auf Fußböden und Wänden.
Als er sich wieder in die Lüfte aufschwang, verspürte er ein ungutes Gefühl im Magen, das ihn sehr beunruhigte. Er hatte furchtbare Kampfschauplätze, Folter und Tod gesehen. Dominic war ein karpatianischer Krieger, und sein Mangel an Emotionen leistete ihm normalerweise gute Dienste. Ohne eine Seelengefährtin, um die Düsternis in ihm auszugleichen, brauchte er diesen Mangel an Empfindungen, um nach über tausend Jahren der Grausamkeit und Verderbtheit, die er mit angesehen hatte, bei Verstand zu bleiben. Der Anblick des Blutes
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