Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)
in dieser Höhle und das Wissen, dass Frauen dorthin gebracht worden waren, um von Jaguarmännern missbraucht zu werden, verursachte ihm jedoch Übelkeit. Und das dürfte eigentlich nicht so sein. Auf intellektueller Ebene vielleicht schon, denn eine geistige Reaktion war akzeptabel, und das Ehrgefühl in ihm würde sich erheben, um ein solches Verhalten zu verabscheuen und zu verdammen. Aber eine körperliche Reaktion war völlig inakzeptabel – und zudem noch ausgeschlossen. Und dennoch …
Beunruhigt erweiterte Dominic die Suche auf die Klippen über dem Fluss. Der Regen hielt an, nahm an Stärke sogar noch zu und verwandelte die Welt in Silbergrau. Selbst im Schutz der Wolken über sich spürte Dominic die Hitze in sich eindringen, als er über dem Fluss ins Freie kam. Zwischen den Felsen verfangen, zerschlagen und vergessen trieb ein lebloser Körper im Wasser. Langes, dichtes Haar lag wie Algen auf der Wasseroberfläche, und ein Arm war in einem Spalt zwischen zwei großen Felsen eingeklemmt. Die Frau trieb mit dem Gesicht nach oben, ihre toten Augen starrten zum Himmel auf, und der Regen prasselte auf sie herab und lief an ihrem Gesicht hinab wie eine Flut von Tränen.
Fluchend kreiste Dominic über ihr und ließ sich dann herabsinken. Er konnte sie nicht einfach so liegen lassen, egal, wie viele Tote er schon gesehen hatte. Er würde sie nicht dort zurücklassen wie eine zerbrochene Puppe, ohne Respekt oder Ehrerbietung für die Frau, die sie gewesen war. Dem Gespräch zwischen Brodrick und Kevin nach zu urteilen, hatte sie eine Familie und einen Ehemann, die sie liebten.
Sie – und ihre Familie – verdienten mehr, als dass ihre zerschlagene Leiche der Zersetzung im Wasser überlassen wurde und als Futter für Fische und andere Fleischfresser diente, die sich an ihr gütlich tun würden.
Der Adler ließ sich auf dem Felsen direkt über ihrem Körper nieder, verwandelte sich und hüllte sich in einen schweren Umhang, dessen Kapuze seinen Nacken und sein Gesicht schützte, als er sich hinkauerte und ihr Handgelenk ergriff. Dominic war stark und hatte keine Mühe, sie aus dem Wasser und in seine Arme zu ziehen. Ihr Kopf fiel zurück, und er sah die blauen Flecke an ihrer Haut und die Fingerspuren um ihren Nacken. Auch um ihre Handgelenke und Knöchel sah er schwarz und blau verfärbte Kreise. Wieder war er erschüttert von seiner Reaktion. Kummer mischte sich mit Zorn, doch die Traurigkeit in seinem Herzen war so schwer, dass er den Zorn langsam verdrängte.
Dominic holte tief Luft und ließ sie wieder entweichen. Waren es die Empfindungen eines anderen, die er verspürte? Verstärkten die Parasiten die Emotionen um ihn herum und erhöhten den Kick, den der Vampir aus dem Entsetzen seines Opfers und dessen vom Adrenalin aufgeputschten Blut bezog? Das war eine Möglichkeit, aber Dominic konnte sich nicht vorstellen, dass ein Vampir Trauer zu empfinden vermochte.
Er trug die Frau in den Wald, und mit jedem Schritt wurde ihm das Herz noch schwerer. Kaum erreichte er die Bäume, witterte er Blut. Hier musste der zweite Kampf stattgefunden haben und Brad verwundet worden sein. Dominic fand die Stelle, an der der Jaguarmann seine Kleider abgelegt und auf die Jagd gegangen war, in der Hoffnung, sich in einem Bogen an den Schützen heranzuschleichen und ihn zu überrumpeln.
Es gab kaum eine Fährte, die den Weg des Jaguars bezeichnete, nur ein Stückchen Fell und einige vom Regen halb zerstörte Fußspuren, und trotzdem dauerte es nicht lange, bis Dominic die tote Katze fand. Auch hier hatte es einen Kampf gegeben, und es war eindeutig einer zwischen zwei Raubkatzen gewesen. Die Fußabdrücke der toten Katze waren tiefer und befanden sich in größerem Abstand voneinander, was darauf schließen ließ, dass das Tier größer und schwerer gewesen war. Aber die kleinere Katze war offensichtlich ein erfahrener Kämpfer gewesen, weil sie die andere nach einem wilden Kampf mit einem Biss in den Schädel getötet hatte. Blattwerk und Zweige waren blutdurchtränkt, und das Gleiche galt auch für den Boden. Dominic prägte sich die Abdrücke der siegreichen Raubkatze genau ein.
Er wusste, dass die Jaguare zurückkehren würden, um die tote Katze zu verbrennen, und so brachte er die Frau zu der mit üppigstem Pflanzenwuchs bestandenen Stelle, die er finden konnte. Eine von Blütenranken überwachsene Kalksteingrotte würde ihr einziger Grabstein sein, doch er öffnete tief die Erde und gab ihr eine anständige letzte
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