Das Dunkle Muster
für sie vorbereitet, auch wenn er nicht leicht zu bezwingen gewesen war, aber die Straße zur Unsterblichkeit, das war ihnen allen klar, konnte auch nicht einfach sein, damit auch wirklich nur jene ihn bezwingen konnten, die sich seiner würdig erwiesen. Vielleicht hatte Djehuti irgendwann einmal eine große Sünde auf sich geladen und war deswegen von den Göttern vom Sims hinabgestoßen worden.
Im Innern der Boote fanden sie Zeichnungen, die ihnen zeigten, wie man einzelne Zeichen zu verstehen hatte. Die Ägypter studierten sie und trugen schließlich eines der großen Boote durch den Tunnel. Obwohl es geräumig genug war, um dreißig Leute zu transportieren, genügten vier, um es hochzuheben, oder einer reichte aus, um es hinter sich herzuziehen. Man schob es über den Felssims in den See, was keine große Schwierigkeit darstellte, und ging an Bord. Beim Steuerrad befanden sich allerlei kleine Geräte, und obwohl Echnaton in seiner Stellung als Pharao über jeglicher körperlicher Arbeit stand, bediente er sie, hielt sich an die gezeichneten Instruktionen und drückte einen Knopf. Er fuhr erschrocken zurück, als ein Bildschirm aufleuchtete und die Umrisse des Turmes in hellem orangefarbenem Licht zeigte. Als er den nächsten Knopf bediente, bewegte sich das Boot durch unsichtbare Ruderer angetrieben in den See hinaus.
Natürlich fürchtete sich jeder von den Ägyptern, aber ihr Führer versuchte unter allen Umständen seine eigene Angst zu verbergen. Gleichzeitig hatten sie den Eindruck, sich am rechten Ort zu befinden und hier willkommen zu sein. Zudem ähnelte das Boot jener Barke, die ihrer Religion gemäß die Toten über den Fluß in die andere Welt, Amenti, brachte.
(Amenti bezieht sich auf Ament, eine Göttin, deren Name »die Westliche« bedeutet. Ebenso wie die Libyer, die Bewohner Westägyptens, trug sie eine Feder, und die Feder stellte das Zeichen oder den Hieroglyphen für das Wort »westlich«, d. h. »gen Sonnenuntergang«, dar. In späteren Zeiten bezeichnete man mit dem Begriff »Westen« das Land der Toten, über deren Bewohner die Göttin Ament herrschte. Es hieß, daß sie es sei, die die Toten am Tor zur anderen Welt willkommen hieße. Sie reichte ihnen Brot und Wasser und machte sie, sobald sie es verzehrten, zu »Freunden der Götter«).
Ebenso wie die Nahrungsmittel, die sie in der Höhle gefunden hatten, schien den Ägyptern auch das Boot eine Analogie jener Barke zu sein, das die Toten auf ihrer Reise in die andere Welt benutzten. Wie viele andere Völker hatte es auch die Ägypter in großes Erstaunen – und sogar in hellen Zorn – versetzt, als sie auf der Flußwelt wieder zum Leben erwacht waren, denn die Priester hatten ihnen zu ihren Lebzeiten ganz andere Dinge prophezeit. Trotzdem glaubten sie in dieser Welt einige Parallelen und physische Analogien zum gelobten Land zu erkennen, etwa die Existenz des großen Flusses, auf dem sie reisen konnten. Sie waren stets ein Volk der Flußuferbewohner gewesen und hatten in der Nähe des Nils gelebt.
Und jetzt wurden sie von einem göttlichen Wesen dem Herzen der anderen Welt entgegengeführt.
Die Ägypter fragten sich, ob sie den gigantischen Frühmenschen statt Djehuti nicht lieber Anubis hätten nennen sollen. Anubis war der Gott mit dem Kopf eines Schakals, der die Toten auf ihrem Weg durch die Unterwelt zum Doppelpalast der Osiris überprüfte: ein Richter, der ihre Seelen wog. Djehuti war der Sprecher der Götter und Hüter ihrer Aufzeichnungen. Manchmal nahm er die Gestalt eines hundsköpfigen Affen an. Wenn man die Gesichtszüge und Behaarung ihres umgekommenen Gefährten berücksichtigte, sah er allerdings doch eher wie eine Inkarnation Djehutis aus.
(Anmerkung: Diese beiden Sichtweisen Thoths [Djehutis] deuten darauf hin, daß in frühen Zeiten beide Götter irgendwann miteinander verschmolzen sein müssen.)
Diese Welt hatte für die Ägypter eine Reihe von Ähnlichkeiten mit der ihren, und jetzt, wo sie sich in der Obhut der Osiris wußten, wurden diese Ähnlichkeiten immer verwunderlicher. Die Flußwelt konnte sehr gut jene Zwischenstation auf dem Weg von der Welt der Lebenden zu der der Toten sein, wie die Priester es beschrieben hatten. Sie hatten verwirrende, sich widersprechende Geschichten erzählt. Lediglich die Götter wußten die volle Wahrheit.
Was immer auch die Wahrheit sein mochte: bald würde man sie ergründen. Zwar sah der Turm nicht so aus, wie man ihnen die doppelte Halle der Gerechtigkeit beschrieben
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