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Das Dunkle Muster

Das Dunkle Muster

Titel: Das Dunkle Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
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einzige, die Bagg verunglimpft, verleumdet und durch den Kakao gezogen hatte: Firebrass selbst mußte ebenfalls einiges an Kritik einstecken, obwohl man mit ihm im Gegensatz zu ihr noch recht glimpflich umsprang. Und die Kritik kam nicht nur von Bagg. Die Leserbriefseite enthielt eine ganze Reihe unterzeichneter Meinungen von Bürgern, die mit seiner Politik ganz und gar nicht einverstanden waren.
    Nachdem sie die Ebene hinter sich gelassen hatte und in das Hügelgebiet kam, war ihr Zorn weitgehend verraucht. Als sie sich umwandte, sah sie Piscator. Er kam lächelnd auf sie zu und sagte mit seinem Oxfordakzent: »Guten Abend, Bürgerin. Darf ich Sie begleiten? Waren wir nicht glücklicher, wenn wir uns gegenseitig Gesellschaft leisteten? Oder vielleicht nicht?«
    Jill mußte lächeln. Er sprach so aufgesetzt, beinahe im Stil des siebzehnten Jahrhunderts, und dieser Eindruck wurde noch verstärkt durch seinen Hut, einen großen Zylinder mit einem breitkrempigen Rand, der sie irgendwie an die der Pilgerväter erinnerte, die nach Neu-England ausgewandert waren. Er war aus dem dunkelrotem Leder irgendeines Fisches hergestellt, und an der Krempe baumelten mehrere Aluminiumfliegen. Um seine Schultern hing ein schwarzer Umhang, der am Hals zusammengehalten wurde. Er trug einen dunkelgrünen Kilt und Rotfischledersandalen.
    Während er über der Schulter einen Bambusstab trug, hielt er in der anderen Hand den Griff seines Grals, und unter dem Arm klemmte eine Zeitung. Von der anderen Schulter baumelte ein Weidenkörbchen.
    Für einen Japaner war Piscator ziemlich groß; er reichte ihr beinahe bis zur Nase. Seine Gesichtszüge waren durchaus attraktiv und fast gar nicht mongolisch.
    »Ich nehme an, daß Sie die Zeitung schon gelesen haben?« fragte Jill.
    »Leider schon das meiste«, erwiderte Piscator. »Aber das sollte Sie nicht betrüben, wie schon Salomon in den Sprüchen XXIV. 9 über die Spötter sagt. Sie sind des Menschen Fluch.«
    »Ich bevorzuge der Menschen«, sagte Jill.
    Er schaute sie verwirrt an. »Aber wie…? Ah, ich verstehe. Sie beziehen sich auf die scheinbar männliche Komponente in des Menschen. Aber in diesem Falle – und dieser Ausdrucksweise – schließt die Bezeichnung sowohl alle Männer, wie auch Frauen und Kinder mit ein.«
    »Das weiß ich«, sagte Jill, als müßte sie dies zum tausendsten Male wiederholen (was auch stimmte). »Ich weiß, daß das so ist. Aber wenn man von dem Menschen spricht, hat man als Zuhörer immer den Eindruck, hier sei ausschließlich der männliche Mensch gemeint. Erst der Menschen bringt den Leuten nahe, sich daran zu erinnern, daß sich der Spruch auf beide Geschlechter bezieht.«
    Piscator sog zwischen den Zähnen hindurch die Luft ein. Jill erwartete jetzt, daß er »Ach so!« sagen würde, aber das tat er nicht. Statt dessen meinte er: »In meinem Körbchen hier habe ich drei Bohnenkrautschleien, wenn ich sie mal so nennen darf, denn sie sehen dem irdischen Fisch dieses Namens ziemlich ähnlich. Sie sind zwar nicht unbedingt so delikat wie der Grauling, den man hauptsächlich in den Bergströmen findet, aber dennoch den wohlschmeckendsten und herzerfrischendsten Wasserbewohnern zuzurechnen.«
    Jill kam zu dem Schluß, daß er sein Englisch aus dem Perfekten Angler gelernt haben mußte.
    »Würden Sie so freundlich sein und heute Abend ein Stückchen von diesem Fisch mit mir teilen? Sie werden beim Pfeifen der Wasseruhr zur sechzehnten Stunde pünktlich fertig sein, und dazu gibt es einen erquickenden Schluck aus Birnenblüten.«
    Birnenblüten nannte man die Flechten, die man von den Felsen schabte und zu Alkohol verarbeitete. Sie wurden mit Wasser versetzt (drei zu eins), dann wurden die Blüten der Eisenbaumschlingpflanzen getrocknet, zerstampft und mit Alkohol vermischt. Nachdem die Blüten dem ganzen eine purpurne Farbe und ein rosen-duftähnliches Aroma verliehen hatten, war das Getränk fertig.
    Jill zögerte mehrere Sekunden lang. Es machte ihr nichts aus, die meiste Zeit allein zu sein. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Zeitgenossinnen geriet sie weder in Verzweiflung noch in Panik, wenn sie auf sich allein angewiesen war. Aber an sich hatte sie jetzt lange genug ihre einzige Gesellschaft dargestellt. Die Reise, die sie flußaufwärts geführt hatte, hatte sie einhundertzwanzig Tage gekostet, während der sie größtenteils allein gewesen war – auch am Tage. Des Nachts hatte sie meist mit Fremden gegessen und sich unterhalten, und auch unter den

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