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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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vieren wegkrieche. Ich finde mich auf einem nur fünf Bretter breiten Sims wieder, der sich um die Wände eines quadratischen Raums zieht. In der Mitte ist eine riesige Öffnung, durch die ein paar Seile hinabbaumeln. Mein Blick folgt den Seilen nach oben, sie laufen durch einen weiten Schacht zum größten Geläut, das ich jemals gesehen habe. Zwei Glocken hängen an einem hölzernen Glockenstuhl, es sind riesige Dinger, groß wie ein Zimmer, man könnte glatt darin wohnen. In die Turmmauer sind Schalllöcher eingelassen, damit man das Geläut weithin hören kann.
    Ich zucke zusammen, als Mr Collins die Tür zuschlägt und sie mit einem dumpfen Tschack! ins Schloss fällt, ein Geräusch, das keinen Gedanken an Flucht mehr aufkommen lässt.
    Ich rapple mich auf und lehne mich an die Wand, bis ich wieder zu Atem gekommen bin.
    Ich schließe die Augen.
    Ich bin Todd Hewitt, denke ich. Ich bin der Sohn von Cillian Boyd und Ben Moore. Ich habe in vierzehn Tagen Geburtstag, aber ich bin schon ein Mann.
    (Ein Mann, der gerade dem Bürgermeister gesagt hat, wie sie heißt.)
    »Es tut mir leid«, flüstere ich. »Es tut mir so leid.«
    Nach einer Weile öffne ich die Augen wieder und schaue mich um. Etwa in Augenhöhe sind kleine, rechteckige Öffnungen, drei an jeder Wand, durch die das staubige Dämmerlicht hereinfällt.
    Ich gehe zur nächsten Öffnung. Wie nicht anders erwartet bin ich im Glockenturm der Kathedrale, hoch oben, und blicke auf die Vorderseite des Gebäudes. Unten liegt der Platz, an dem ich die Stadt zum ersten Mal betreten habe. Das war erst heute Morgen, aber es kommt mir vor, als sei inzwischen ein Menschenleben vergangen. Der Abend dämmert, das bedeutet, ich war eine ganze Weile weggetreten, ehe mich der Bürgermeister aufweckte – Zeit genug, um alles Mögliche mit ihr zu machen, Zeit genug, um …
    (Halt die Klappe, halt endlich die Klappe.)
    Ich lasse meinen Blick über den Platz schweifen. Er ist immer noch menschenleer, es ist immer noch so still wie in einer Geisterstadt, es ist eine Stadt ohne Lärm, eine Stadt, die darauf wartet, dass eine Armee kommt und sie erobert.
    Eine Stadt, die nicht einmal versucht zu kämpfen.
    Bürgermeister Prentiss ist einfach aufgetaucht und sie haben ihm die Stadt übergeben. Manchmal hat das Gerücht, dass eine Armee anrückt, genau die gleiche Wirkung wie die Armee selbst, hat er zu mir gesagt. Und hat er damit nicht Recht gehabt?
    Tagelang sind wir gelaufen, so schnell wir konnten, und haben keinen Gedanken darauf verschwendet, was uns in Haven erwartet; wir haben es nicht laut gesagt, aber wir haben gehofft, wir wären hier sicher, wir haben gehofft, das Paradies zu finden.
    »Glaub mir, dort gibt es Hoffnung«, hat Ben gesagt.
    Aber er hat sich getäuscht. Haven gibt es nicht mehr.
    Es gibt nur noch New Prentisstown.
    Ich schaue über den Platz nach Westen, über die Baumwipfel, die sich bis in die entlegeneren, stillen Häuser und Straßen erstrecken, bis zum Wasserfall, der sich nicht weit entfernt vom Rand des Abhangs ins Tal stürzt, bis zur Serpentinenstraße, die sich bergan windet, der Straße, auf der ich mit Davy Prentiss junior kämpfte, die Straße, auf der Viola …
    Rasch wende ich mich ab und sehe mich stattdessen im Raum um.
    Allmählich gewöhnen sich meine Augen an das Dämmerlicht. Er scheint leer zu sein, ich bemerke nur Balken und einen unangenehmen Geruch. Die Glockenseile baumeln etwa zwei Meter neben mir in die Tiefe. Ich versuche zu erspähen, wo sie an den Glocken befestigt sind und wie man sie zum Läuten bringt. Dann blicke ich durch die Öffnung nach unten, aber in der Dunkelheit lässt sich nichts erkennen. Wahrscheinlich ist dort nur ein harter Boden.
    Zwei Meter sind nicht viel. Man könnte leicht so weit springen, sich am Seil festhalten und nach unten klettern.
    Aber dann …
    »Ein genialer Einfall, wirklich«, höre ich eine Stimme aus der gegenüberliegenden Ecke.
    Ich zucke zurück, dann strecke ich die Fäuste vor, mein Lärm ist stachelig wie ein Igel. Ein Mann steht auf, anscheinend hatte er die ganze Zeit da gesessen.
    Noch ein Mann ohne Lärm.
    »Wenn du versuchst das Seil hinabzuklettern, das hier so verführerisch hängt«, fährt er fort, »wird jedermann in der Stadt wissen, dass du abhauen willst.«
    »Wer bist du?« Ich frage ihn mit einem flauen Gefühl im Magen, aber mit geballten Fäusten.
    »Ja«, sagt er. »Ich hätte gewettet, dass du nicht aus Haven bist.« Er tritt aus der Ecke hervor und ein

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