Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
in den Kräuterladen zurück und versuchte, die Erinnerung der Stadt an die Auseinandersetzung zu extrahieren. Doch die Wände waren flächendeckend mit Teppichen verhängt, sodass die Stadtsubstanz weder sehen noch hören konnte, was im Innern des Geschäftes vor sich ging.
»Ich fass' es nicht, dass Colfal einen Rückzieher gemacht hat«, sagte Marcol. »Er war wütend wie ein rasender Drakken.«
»Dominierung«, erwiderte Edeard. »Ich hab' einige Muster in seinen Gedanken erkannt, sie waren ziemlich deutlich, nachdem sie durch mentalen Zwang umgepolt wurden.« Er hielt inne. Jetzt erinnerte er sich an Tathal. »O Herrin, ich hätte es mir denken können.«
Der Hauptkonstabler von Makkathran besaß ein feudales Amtszimmer im hinteren Orchard-Palast. Ein kreisrunder Raum mit einer hohen, spitz zulaufenden Decke, die sich nach oben schraubte, als ob sie aus einem Stück gegossen wäre. Der Fußboden war in poliertem Ockerton gehalten, mit dunkelroten Linien, die ein Fünfeck bildeten. Die Wände waren in hellerem Braun, doch darum nicht weniger auf Hochglanz gebracht. Edeard gab nicht viel auf Mobiliar, letzten Endes war das hier ein Arbeitsplatz, sonst nichts. Er hatte seinen Mur-Eichenschreibtisch, ein Geschenk von Kanseen am Tag nach seiner Wahl, sowie einen langen Tisch für Besprechungen mit den Captains und Advokaten; mehr brauchte er nicht.
Als er nach Bereinigung der Angelegenheit zwischen Tathal und Colfal wieder dort eintraf, hatte Felax bereits Golbon und Jaralee herbeizitiert, die letzten beiden verbliebenen aktiven Mitglieder des Großen-Rats-Komitees zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Selbst jetzt, nach so langer Zeit, hatte Edeard es noch nicht zustande gebracht, es vollends aufzulösen.
»Ein neuer Fall«, verkündete er, noch während er zu seinem Schreibtisch hinüberschritt. Golbon und Jaralee sahen sich überrascht an. Die letzten sieben Jahre lang hatten sie praktisch nichts anderes gemacht, als sang- und klanglos eine Fallakte nach der anderen zu schließen und sie ins Archiv zu überstellen.
Edeard nahm an seinem Arbeitstisch Platz. Hinter ihm waren durch eine akkurate Reihe von hohen, geschlitzten Fenstern Rahs Garten und der Centre Circle Canal zu sehen. Er setzte sich stets so, dass ihn der Ausblick nicht ablenkte. »Die Aprikosenhäuschengesellschaft.«
Golbon ächzte. »Nicht schon wieder. Wegen denen haben wir bereits vor ein paar Jahren ermittelt. Das ist bloß ein Haufen junger Kaufleute, die es sich in den Kopf gesetzt haben, ihren eigenen Verein aufzuziehen und einigen politischen Einfluss zu erlangen. Hin und wieder bedienen sie sich der ein oder anderen repressiven Taktik, aber nicht mehr als die etablierten Unternehmen auch. Von kriminellen Handlungen kann man da kaum sprechen.«
»Gut, dann wird das ja ein schneller Auftrag für Euch«, entgegnete Edeard. »Ich will die Namen der Mitglieder, und ja, das schließt meinen Schwiegersohn mit ein. Erstellt eine Übersicht über ihre Geschäftsbeziehungen. Ihren Besitz, Immobilien, Ländereien, Schiffe und so weiter und so fort. Außerdem hätte ich gern kompletten Einblick in die Finanzen eines Kräuterkundigen namens Colfal. Seht zu, ob Ihr irgendwelche Verbindungen zum Aprikosenhäuschen finden könnt.«
»Woher dies plötzliche Interesse?«, fragte Jaralee.
»Ich glaube, gespürt zu haben, wie einer von ihnen, ein junger Adliger mit Namen Tathal, bei jemandem, mit dem er Geschäfte macht, Dominierung eingesetzt hat. Beim eben erwähnten Colfal, um genau zu sein.«
»Ah, der unführbare Prozess«, sagte Jaralee. Ihre erste Lehre hatte sie bei der Advokatengilde begonnen, bevor sie zu den Schreibern gewechselt war. Aufgrund dessen war sie für Edeard bei seinen Untersuchungen von unschätzbarem Wert; ihre Fähigkeit, aus den kleinsten Informationsfitzelchen eine solide Beweisführung zusammenzubasteln, war Legende, und ihr juristischer Hintergrund ermöglichte es ihr, sofort zu erkennen, mit welchen Anklagen man jemanden gerichtsfest drankriegen konnte.
»Es hat schon Fälle gegeben, bei denen sich Dominierung nachweisen ließ«, meinte Golbon.
»Ja, durch Zeugenaussagen von Mitgliedern Großer Familien gegen einfache Bürger«, hielt Jaralee dagegen. »Also im Grunde genommen auf der Basis von Hörensagen. Nur einige wenige Male gab das Gericht diesen Klagen allein wegen der in diese Fälle verwickelten Leute statt. Streng juristisch gesehen lässt sich die Manipulation fremder Gedanken nun mal nicht
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