Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
Wahlmannschaft zusammen, nicht wahr? Immer ganz der treu Ergebene, der gute Dinlay. Seine Bewunderung für Euch grenzt schon an Anbetung. Beunruhigt Euch das nicht?«
»Wenn ich Bürgermeister werde, dann, weil die Menschen, die in dieser Stadt leben, meinen, dass ich es kann. Und wenn das Mandat endet, trete ich ab und mache anderen Platz.«
»Eure gesellschaftliche Stellung hat eine nicht geringe Zugkraft dabei. Für ihresgleichen.«
»Ihr redet, als wärt ihr anders. Das seid ihr nicht.«
»Aber wir sind es, und das wisst Ihr. Und um Eure Schuldgefühle noch heller brennen zu lassen, Ihr gehört zu uns.«
»Dominierung ist ein mentaler Angriff. Sie ist ebenso illegal wie unmoralisch. Ich will, dass ihr damit aufhört, sie gegen andere Menschen einzusetzen. Und den Anfang könnt ihr mit Colfal machen.«
Kiary und Manel lachten verächtlich. »Und wegen dem hier sind wir so vorsichtig gewesen? Komm schon, er ist ein alter Mann, den zerquetschen wir wie Ge-Schimpansen-Scheiße.«
Mit einer knappen Handbewegung gebot ihnen Tathal zu schweigen. »Tut das nicht«, sagte er zu Edeard. »Zieht Euch nicht auf selbstgerechte Empörung zurück, das steht Euch nicht an. Ihr wart der Erste. Ihr habt gegenüber denen Eurer Art eine Pflicht. Ihr seid die Brücke zwischen uns und den anderen. Wenn Ihr Eure Selbstachtung zurückerlangen wollt, Eure Herrlichkeit, werdet Ihr mit uns zusammenarbeiten und weiterhin diese Brücke sein. Die Menschen vertrauen Euch, sie werden Eurer Versicherung bedürfen, dass das, was hier geschieht, unvermeidlich ist. Ihr seid für den Umbruch unverzichtbar, Waterwalker. Ihr könnt uns nicht aufhalten, wir sind der natürliche Lauf der Dinge. Bestimmung. Helft uns. Oder haltet Ihr Euch für jemanden, der über dem steht?«
Edeard streckte einen warnenden Finger empor, sich traurig bewusst, wie theatralisch das auf das Nest wirken musste. »Hört auf, im Leben anderer Leute herumzupfuschen, lasst ihre Bewusstseine in Ruhe. Ihr seid nicht ihre Herren. Wir sind alle ...«
»Eine Nation?«, fragte Tathal; der Spott war nicht zu überhören.
Edeard drehte sich um und schritt aus dem Raum. Ein bisschen wunderte es ihn, dass er noch am Leben war.
Mirnatha war in der Zikkurat, als Edeard vollkommen aufgewühlt wieder zu Hause eintraf. Er hatte völlig vergessen, dass sie zu Besuch kommen wollte. Sie befand sich oben im zehnten Stockwerk, zusammen mit Olbal, ihrem Mann, und ihren Kindern. Kristabel hockte auf dem Parkett des Privatwohnzimmers und unterhielt die Kleinen, während die älteren Sprösslinge mit Rolars Kindern und Marakas im großen Spielzimmer auf der anderen Seite der Zikkurat herumtobten. Das aufgeregte Gelächter und Gekreisch der Kinder hallte ihm schon in dem großen Treppenhaus entgegen und ließ ihn wehmutsvoll lächeln, als er die letzten paar Stufen erklomm. Er ging an dem kurzen Flur an seinem Schlafzimmer vorbei und warf dabei einen versonnenen Blick auf die verschlossene Tür. Dass Kiary und Manel sich unbemerkt dort hineingeschlichen hatten, um sich ihren schmutzigen kleinen Nervenkitzel zu verschaffen, ließ ihn zurück an die Zeit denken, als Mirnatha entführt worden war. Zu viele Erinnerungen, sagte er sich.
Als er das Hauptwohnzimmer erreichte, hatte er es endlich geschafft, sich wieder zu sammeln und seinen mentalen Schild zu festigen. Mit breitem Lächeln begrüßte er Mirnatha, als sie auf ihn zugestürmt kam und ihn überschwänglich küsste, dann schüttelte er herzlich Olbal die Hand. Alle waren überrascht gewesen, als Mirnatha ihn geheiratet hatte. Sie hatte als heranwachsende junge Dame kein Vergnügen und keinen Trubel ausgelassen, den die Stadt der Tochter einer höchst begehrten Großen Familie zu bieten vermochte. Dann war plötzlich Olbal in der Stadt aufgetaucht, und das Nächste, was Julan, Kristabel und Edeard mitbekamen, war die Bekanntgabe ihrer Verlobung und ihres Hochzeitstermins sechs Wochen später in Caldratown, der Hauptstadt der Provinz Joxla.
Kristabel hatte sich Sorgen gemacht, dass die Sache nicht lange halten würde. Edeard hingegen war ein bisschen zuversichtlicher gewesen. Eigentlich gefiel ihm sein Schwager ganz gut, er besaß ein riesiges Acker- und Waldgrundstück in der Joxla-Provinz, etwas nördlich der Donsori-Berge. Olbal machte sich nicht viel aus der Stadt, ihrer Politik und ihren gesellschaftlichen Ereignissen; er war eher ein praktischer Mann, dessen Denken in der Hauptsache um Ackerbau und Wochenmarktpreise kreiste. Solch
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