Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
irgendwann mal nützlich sein. »Tut mir leid, aber es sind keine guten Neuigkeiten.«
»Ich bin ein großes Mädchen.«
Er grinste. Ausnahmsweise mal trug sie ein durchsichtiges schwarzes Negligé mit tiefem Ausschnitt. Auch nach sieben Kindern war sie immer noch rank und schlank und mehr als verführerisch mit ihrem lose herabfallenden Haar. Und das wusste sie. Auf ihren Lippen spielte ein berechnendes Lächeln. »Ich werd's mir merken«, sagte er und musterte mit unverhohlener Bewunderung ihre Figur.
»Ist jemand gestorben?«
»Nein. Es gibt einige Anwender mentaler Kräfte in Makkathran, die mindestens genauso stark sind wie ich. Und sie sind nicht gerade wenige.«
»Oh. Aber du hast doch im Laufe der Jahre viele Menschen mit mächtigen Geisteskräften entdeckt. Da wären Marcol und Jenovan, und was ist mit dem neuen Mädchen, das letztes Jahr zu dir gekommen ist?«
»Du meinst Vikye? Nein, Schatz. Was diese Leute machen, ist eine gute Nummer zu groß für uns.«
»Wieso, was machen sie denn?«
»Das Gleiche, was Ranalee und Eine Nation versucht haben. Nur dass es hier nicht um das Etablieren einer Herrenschicht mit gutem, hoffärtigem Geblüt geht, sondern schlicht und einfach um Stärke. Auf den Punkt gebracht: Allein die Tatsache, dass man über starke mentale Kräfte verfügt, gibt einem nach ihrer Vorstellung das Recht, über alle anderen zu herrschen.«
»Da dürften sie aber bei vielen von uns auf einigen Widerstand stoßen.«
»Ich weiß, und genau das macht mir am meisten Sorgen. Owain hat versucht, mit Waffengewalt und Angst die Leute auf Linie zu halten - das Nest verfügt über die Dominierung, und sie schrecken nicht davor zurück, sie einzusetzen. Außerdem verfügen sie hinsichtlich der Stadt und deren Substanz über die gleichen Fähigkeiten wie ich.«
Kristabel sah ihn mit ernstem Blick an. »Oh. Wenn es ihre schiere Zahl ist, die ihre Stärke ausmacht, dann nimm dir doch einen nach dem anderen zur Brust.«
»Das würde nicht klappen«, erwiderte er deprimiert. »Sie nennen sich nicht ohne Grund das Nest. Sie sind wie eine Familie des Geistes. Es hat schon fast was Gruseliges, wenn man sie zusammen erlebt. Damals, als uns der alte Chae ausgebildet hat, war er stets darauf bedacht, dass unsere Fernsicht wahrnehmen konnte, wo der Rest des Trupps war. Das Nest beherrscht eine wesentlich verfeinerte Spielart dieser Technik. Ich wäre niemals imstande, einen von ihnen zu isolieren.«
»Herrinverdammt, und was willst du unternehmen?«
»Keine Ahnung. Aber sie sind jung und entschlossen, ihren Weg auf ihre eigene Weise zu gehen. Sie haben niemals gelernt, sich anderen Leuten anzupassen, aus dem einfachen Grunde, weil sie es nie mussten, und wenn man sie so weitermachen lässt, werden sie das auch nie. Das heißt, dass sich mir möglicherweise eine kleine Lücke bietet.«
»Um was zu tun?«
»Sie haben mich gebeten, als eine Art Brücke zwischen ihnen und den ›schwächeren‹ Menschen zu fungieren.«
»Schwächeren?«, fuhr sie empört auf.
»Ja. So denken sie über jeden anderen. Und damit muss Schluss sein.«
»Glaubst du wirklich, du schaffst das? Edeard, ich weiß, wir haben niemals über Owain und Buate und all die anderen, die verschwunden sind, gesprochen, und ich hab' nie irgendwelche Fragen gestellt, aber ... Du könntest ihre Meinung doch nicht mal eben so ändern, oder?«
»Nein«, seufzte er. »Aber diesmal muss ich's wirklich versuchen.« Herrin, aber ich will so etwas nicht noch einmal tun müssen.
»Diese Leute stehen also die ganze Zeit miteinander in gedanklicher Verbindung?«
»Gewissermaßen. Sie behaupten, das sei eine Weiterentwicklung von Demokratie. Sie sind immer noch Individuen, aber zur Entscheidungsfindung kommunizieren sie auf einer überaus tiefgehenden Ebene. Sie haben ihre eigene gedankliche Sprache. Ich nehme an, dass sie auf diese Weise jeden anderen mit schierer mentaler Kraft bezwingen. Sie können sich zu einer perfekten Einheit verbünden. Und je mehr sie eingliedern, umso stärker werden sie.« Vom ersten Moment des Zusammentreffens an hatte Edeard diese Einheit extrem fasziniert. Es war im Grunde etwas Wunderbares, so mühelos seine Gedanken zu teilen. Leider pervertierte das Nest dieses Geschenk jedoch und versuchte, mittels Dominierung die Idee von Egalität und gleichem Recht für alle aus den Angeln zu heben. Er vermutete, dass Tathal der Grund dafür war. Wäre das Nest ohne diesen schädlichen Einfluss an den Start gegangen, hätte es
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