Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
verdächtig gemacht hätte, schritt der Delivery Man hinauf.
Das war das Schöne an der Welt der Higher, niemandem kam Diebstahl auch nur in den Sinn; wenn man jemanden in ein Raumschiff einsteigen sah, ging man einfach davon aus, dass das schon seine Richtigkeit hatte. Dank EMAs und Replikatortechnologie standen materielle Dinge jedem zur Verfügung; ein Raumschiff war definitiv kein Gegenstand des Neids.
Nicht, dass Duaro völlig ohne Arg gewesen wäre. In das Netzwerk waren diverse Sicherungen integriert. Nach einigen Millisekunden der näheren Analyse präsentierte der U-Shadow des Delivery Man ihm acht Möglichkeiten, die Beschränkungen zu umgehen und direkte Kontrolle über den Smartcore zu erlangen.
Eine schummrig-rote Beleuchtung warf einen unheimlichen Schimmer auf die Wände des engen zentralen Niedergangs. Die Jacht besaß einen einfachen Grundriss, beinahe altmodisch in seiner Art. Vorn befand sich die Flugkabine, in der Mittelsektion ein Aufenthaltsraum, und achtern waren zwei Schlafkabinen untergebracht. Kaum war der Delivery Man im Raumschiff, führten seine Biononics einen Nahfeldscan aus, um eine geeignete Stelle zu finden, wo er Zugriff auf den Netzwerknodus nehmen konnte. Genau in dem Moment vernahm er von der Backbordschlafkabine her ein leidenschaftliches Gestöhne.
Lautlos floss die Tür beiseite. Das Dekor der Kabine dahinter war aus altem Teak, sorgfältig eingepasst, um jede Rundung und Ecke der Bordwände zu füllen, und mit viel Liebe poliert. Zwei Gestalten lagen in flagranti ertappt auf der schmalen Koje.
»Duaro, nehme ich an?«, sagte der Delivery Man laut.
Erschrocken wälzte sich der Mann herum. Die Frau kreischte auf und griff hektisch nach dem Seidenlaken, um sich zu bedecken. Sie war ausnehmend hübsch, wie der Delivery Man zugeben musste, hatte flammend rotes Haar und ein sommersprossiges Gesicht. Außerdem war sie sehr jung; eine First-Life, wie er annahm.
»Hat Mirain Sie geschickt?«, fragte Duaro eilig. »Hören Sie, wir können das hier auf zivilisierte Art regeln.«
»Mirain?«, überlegte der Delivery Man laut. Sein U-Shadow durchforstete Duaros Profil nach Querverweisen. »Sie meinen Ihre Frau, Mirain?«
Die Frau auf dem Bett zuckte zusammen und starrte Duaro finster an.
»Ich versteh nicht, wieso sie so einen Aufstand macht«, schimpfte Duaro. »Das hier ist doch nur 'ne harmlose kleine Affäre.«
»Oh, vielen Dank«, schnappte die Frau.
»Sich an Bord schleichen, das Licht ausgeschaltet lassen und den Smartcore auf doof stellen«, grübelte der Delivery Man. »Hm, ganz so harmlos scheint mir das doch nicht zu sein.«
»Hören Sie, lassen Sie uns wie vernünftige Menschen über alles ...«
Der Delivery Man lächelte breit über die unverwüstliche, zeitlose Floskel. »Ja, tun wir das. Soll ich Ihnen sagen, was ich will?«
»Nur zu«, erwiderte Duaro mit verhaltener Erleichterung.
»Den Zugriffscode für den Smartcore.«
»Wie bitte?«
»Leider nicht verhandelbar«, sagte der Delivery Man und fuhr mehrere Waffenenrichments hoch.
Paula konnte sich nicht erinnern, jemals so erschüttert gewesen zu sein, noch nie. Der emotionale Schock zeigte massive körperliche Auswirkungen - ihr Herz raste, und ihre Hände zitterten, als wäre sie eine Art Natural-Mensch. Sie musste sich schwer auf den Kabinenboden der Alexis Denken setzen, bevor ihre Beine nachgaben. Alles, was ihre Exosicht zeigte, war eine große leere Fläche, die dem entsprach, was die Kabul, eines der Schiffe der Capital-Klasse, sah, als sie die Außenseite der Sol-Barriere scannte. Paulas Link kam von einem sicheren Kanal direkt von Pentagon II, wozu ihr Rang sie berechtigte. Doch es gab nichts, was sie tun konnte, keine Hilfe, die sie anzubieten vermochte. Sie war nichts als ein passiver Beobachter der größten Katastrophe, die seit dem Erlöschen der Barriere um Dyson Alpha über das Commonwealth hereingebrochen war. Die Erinnerung daran rüttelte eine Möglichkeit wach.
»Haben Sie die räumlichen Koordinaten der Schwarmkomponenten zum Zeitpunkt ihrer Materialisation?«, fragte sie Admiral Juliaca, Kazimirs Stellvertreter und nun de facto oberster Befehlshaber der Commonwealth-Navy. »Die ursprüngliche Dunkle Festung hatte an der Außenseite eine Öffnung, mittels ihrer wurde sie ausgeschaltet.«
»Netter Versuch«, sagte Juliaca. »Das war so ziemlich das Erste, worauf die Kabul sich gestürzt hat. So weit wir feststellen können, weist die Sol-Barriere keinerlei Ausbuchtung auf, und wir
Weitere Kostenlose Bücher