Sternenfaust - 169 - Hakaamya upo (2 of 2)
S.C.S.C. STERNENFAUST, im HD-Raum, Krankenstation, 17. Oktober 2272
»Keine weiteren Läsionen in den Brodmann-Arealen 39 und 40«, murmelte Dr. Ashkono Tregarde. »Immerhin.«
»Und die akuten Läsionen?«, fragte Dana Frost, die Kommandantin der STERNENFAUST.
»Dazu kann ich immer noch nichts sagen. Falls die Reparatur durch die NM-Naniten nicht spätestens in drei Minuten erste Erfolge zeigt, haben wir schlechte Karten – hat Izanagi schlechte Karten«, fügte er leiser hinzu.
Dana blickte über die Medo-Liegen von Turanor und Izanagi Narada hinweg auf den Chefarzt der STERNENFAUST. Ash saß an seiner Medostation und starrte auf die Anzeige des zentralen Monitors. Izanagi Narada, der empathisch begabte Berater der STERNENFAUST, stand kurz davor, dem Gehirntod zu erliegen.
»Izanagis Kreislauf jedenfalls ist wieder stabil, wenn auch noch schwach.« Ash berührte den Touchscreen, worauf sich Izanagis Beine, die von einem Grav-Feld in einem Winkel von 30 Grad über der Körperebene gehalten wurden, langsam wieder absenkten. Offenbar war die Schocklage nicht länger vonnöten.
Dana war überzeugt, dass die Hakaamya upo, jene im Volk der Alendei verbreitete enge mentale Zweierbeziehung, in diesem Fall gescheitert war. Izanagis Hoffnung, dass ihm als Mensch ein solcher geistiger Zweierkreis mit Turanor gelingen könnte, hatte sich als so irrational erwiesen, wie sie die ganze Zeit über befürchtet hatte. Izanagi Narada mochte über außergewöhnliche mentale Fähigkeiten verfügen, doch das machte aus ihm noch lange keinen Alendei.
Danas Blick ruhte wieder auf Turanors bleichem Gesicht. Er hatte – ebenso wie Izanagi – die Augen geschlossen und befand sich in einer Art Trance. Bei ihm waren bislang keinerlei Probleme aufgetaucht.
Mittlerweile war Dana wütender auf Turanor als auf Izanagi. Der Alendei hätte es besser wissen müssen. Indem er die Hakaamya upo mit Izanagi als möglich eingestuft hatte, trug er in ihren Augen die Hauptschuld an diesem Desaster.
War sich Turanor denn wirklich nicht im Klaren darüber gewesen, welches Risiko es für den Menschen Izanagi bedeutete, sich auf einen nur bei den Alendei üblichen Mentalprozess einzulassen? Hatte es Izanagi bewusst unterlassen, dem Telepathen Turanor die Skepsis Dr. Tregardes zu übermitteln? Wusste Turanor überhaupt, dass Dana die Hakaamya upo am liebsten untersagt hätte? Dies waren Fragen, die noch zu klären sein würden …
»Die NM-Naniten werden aktiv, Dana!«, ließ sich Ash vernehmen. »Nun müssen wir abwarten, ob sie die zerstörten Myelin-Schichten der Axone tatsächlich wieder aufbauen, so wie es ihre Programmierung vorsieht …«
Dana presste die Lippen aufeinander. Die Ironie dieser ganzen Hakaamya upo bestand darin, dass sie gar nicht mehr notwendig war. Die Basiru-Aluun hatten versprochen, die tödliche Sphäre, die plötzlich im Voraandir-System der Alendei aufgetaucht war, zu entfernen. Als Bedingung hatten sie das mentale Exil für Turanor gefordert.
Doch den Basiru-Aluun war es nicht gelungen, ihr Versprechen zu erfüllen. Als sie versuchten, die Sphäre zu versetzen, waren sie von Schiffen der Kad’Chie angegriffen worden.
»Wir haben eine realistische Chance, Izanagi durchzubringen!«, rief Ash.
»Die Zellmembranen um die Axone und Dendriten in den betroffenen Arealen werden wieder aufgebaut. Die Sauerstoffversorgung des Hirns ist in Ordnung, die EEG-Werte allerdings noch nicht. Izanagis Zustand ist noch immer kritisch. Jetzt kommt es darauf an, dass die NM-Naniten die benötigten Lipide schnell genug synthetisieren.«
»Wird Izanagi eine Hirnschädigung davontragen?«
Ash schüttelte leicht den Kopf. »Das lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Hierzu müsste …«, Ash brach abrupt ab.
»Was ist los?«
»Diesmal sind es Turanors EEG-Werte, die sich verändern. Rückgängige Aktivität im Deltawellen-Band. Einige Peaks bei 25 und 26 Hertz. Leichte Erhöhung der Pulsfrequenz.«
In diesem Moment bemerkte Dana es: ein Zucken um Augen und Mundwinkel von Turanor.
Die ganze Zeit über war keinerlei Mimik im Gesicht Turanors zu sehen gewesen; der Alendei hatte sich in Trance befunden und völlig regungslos dagelegen.
»Ich glaube, Turanor wacht auf, Ash.«
»Dafür sprechen auch seine EEG-Werte.«
Dana sah, wie sich die Schultern Turanors bewegten. Und dann öffnete sich sein Mund einen Spaltbreit. Ein tiefes Ächzen drang daraus hervor, was bei einem Alendei ausgesprochen ungewöhnlich war.
Weitere Kostenlose Bücher