Das dunkle Universum 04 - Evolution der Leere
kräftiges Kinn. Unauffällig musterte Edeard seine Nase daraufhin, ob sie vielleicht ein entferntes Gilmorn-Erbe aufwies, da zuckte ein hässlicher Erinnerungsblitz an Ranalee und den hilflosen Burschen in ihrem Arbeitszimmer durch seinen Kopf. Ihre Blicke trafen sich, und der junge Mann schaute plötzlich so panikerfüllt und schuldbewusst drein, während seine Wangen vor Scham feuerrot anliefen, dass Edeard nicht anders konnte, als Mitleid mit ihm zu haben. Dann war Utrallis plötzlich zwischen den Zwillingen gefangen und wurde abgeschleppt.
Seufzend schüttelte Jiska den Kopf. »Und dabei sieht er so süß aus. Armer Kerl. Wie kommt es eigentlich, dass all diese bedauernswerten Jungs, die zu Beginn des Abends noch so stolz und stattlich wirken, schon am nächsten Morgen aufs Tragischste zerrüttet aus der Zikkurat kriechen, als wären sie nur mit Ach und Krach aus dem Honious entkommen.«
»So schlimm sind die Zwillinge auch wieder nicht«, sagte Edeard mit väterlicher Milde.
»Paps, wenn es um sie geht, bist du auf sämtlichen Augen blind.«
Er grinste verschmitzt. »Das kommt, weil ich es dir so schwer gemacht habe.«
Jiska hob ihr Glas. »Die Sache mit Natran kläre ich schon noch, nur keine Bange. Ich schätze, fünf Jahre sind lange genug.«
»Keine Eile. Zumindest von meiner Seite. Im Übrigen sind es nur noch zwei Monate, bis Marakas vor den Altar der Herrin tritt.«
Sie lächelte mit einer Art zärtlichen Fassungslosigkeit. »Ich kann nicht glauben, dass er diese Frau heiratet. Ich meine ... Heliana ist lieb und nett, und recht gut proportioniert; aber mal ehrlich, was hat sie denn außer dem noch zu bieten? Sind Männer wirklich so oberflächlich?«
»Klar sind wir das.«
»Arme Taralee.«
»Taralee wird ihre Sache schon machen, sie ist zu Höherem bestimmt. Eines Tages wird sie Großmeisterin der Medizinergilde sein.« Edeard war nach wie vor ungeheuer stolz auf seine Jüngste, die mit noch nicht zweiundzwanzig Jahren bereits eine Medizinergildengesellin war. Sie hielt sich von den ganzen Feiern und verrückten Unternehmungen, welche die Zwillinge zu ihrem Lebensinhalt erklärt hatten, vollkommen fern, damit sie sich ganz der Medizin widmen konnte.
»Mal überlegen«, sinnierte Jiska. »Nach der Wahl wirst du Hauptkonstabler sein. Und da sich Dylorn der Miliz angeschlossen hat, müsste ich oder eine von den Zwillingen nur noch Novizin werden und sich bis zur Pythia hocharbeiten, und du wärst König der Stadt.«
Es war Edeard schlicht unmöglich, sich eines der Zwillingsmädchen in einer Novizinnenrobe vorzustellen. Allein der Versuch scheiterte kläglich. »Nicht das erste Mal, dass mir jemand solche Ambitionen unterstellt.«
»Tatsächlich? Warum?«
Er betrachtete seine Tochter, klug, elegant, umworben von jedem heiratsfähigen Mann in der Stadt, vollkommen unbekümmert und mit solch erstaunlichen Möglichkeiten gleich vor ihrer Nase. Aber vor allem anderen war sein größter Triumph, ihr Sicherheit und Geborgenheit, ihr diese wunderbare Zukunft gegeben zu haben. Bis jetzt hatte Jiska dies jedoch noch nicht erkannt. Die Schlachten, die er vor ihrer Geburt geschlagen hatte, bedeuteten ihrer Generation herzlich wenig. Es war deprimierend festzustellen, zu welch fester Größe er geworden war, nur um als eine von Makkathrans Hauptfiguren wie selbstverständlich hingenommen zu werden. Kein Infragestellen, keine Notwendigkeit, sich zu beweisen - nichts von alledem. Nicht mehr.
»'ne lange, alte Geschichte, frag bei Gelegenheit mal Macsen danach.«
»Oh Herrin, ich weiß, er ist dein ältester Freund, aber mein Bedarf an Geschichten über die alte Zeit ist wirklich gedeckt.«
»Die gute alte Zeit«, korrigierte er sie.
»Wenn du das sagst, Paps.«
Vielleicht lag es an Jiskas Skepsis oder auch am Erscheinen des Skylords, aber Edeard taxierte Macsen, während er sich zu seinem Freund hinüber vorarbeitete, mit ungewöhnlich kritischem Blick. Die Amtsrobe, die Macsen trug, war phantasievoll und erlaubte es dem dicken, mit Pelz verbrämten Stoff, mühelos um ihn herumzufließen. Es war ein geradezu fürstlicher Schnitt, vielleicht entworfen, um die Aufmerksamkeit von dem gleichermaßen fürstlichen Bauch abzulenken, den Macsen sich über die letzten paar Jahrzehnte hinweg zugelegt hatte. Und auch sein hübsches Gesicht war jetzt um einiges runder. Ein vornehmer kurzer Bart zeigte etliche graue Strähnen.
»Edeard!« Macsen öffnete seine Arme weit und drückte den Freund mit einem
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