Das dunkle Universum 1 - Traeumende Leere
Physischen bloß unkultivierte, kleine Newcomer in einem exklusiven Club. Jedenfalls die, die mit Physischen reden. Die meisten sind nicht einmal dazu bereit. Und es würde mich auch sehr wundern, wenn eine Spezies sich dazu herabgelassen hätte. Wahrscheinlich fänden sie es ziemlich spannend, einer finalen Absorptionsphase zuzusehen.«
»Und was ist mit dir?«, forschte Justine leichthin nach.
Gore lächelte. Kalt blitzten schneeweiße Zähne zwischen goldenen Lippen auf. »Ich gebe zu, dass es ein Mordsanblick wäre. Aus der Entfernung. Einer sehr großen Entfernung.«
»Was schlägst du also vor?«, fragte Justine.
»Auf jeden Fall sollten wir den Antrag im Senat auf den Weg bringen«, sagte Kazimir. »Der Botschafter hat ganz recht. Wir dürfen diese Pilgerfahrt nicht zulassen.«
»Wir können sie nicht stoppen«, entgegnete Gore übertrieben freundlich. »Steht in der Verfassung.«
»Wir müssen eine Lösung finden«, sagte Justine. »Eine politische. Und zwar bald.«
»Das ist mein Mädchen. Wirst du dich selbst an den Senat wenden? Du besitzt da draußen ziemliches Gewicht: persönliche Geschichte.«
»Und es wäre hilfreich, von den Raiel eine Bestätigung zu erhalten«, sagte Kazimir. »Die entsprechenden personellen Verbindungen hast du ja.«
»Was?« Justines Schultern sackten herab. »Oh, Qualen der Hölle. Ich hatte nicht vor, die Erde zu verlassen.«
»Ich vermute, dass der Botschafter der Hancher auch gern ein bisschen beruhigt werden würde«, fügte Gore hämisch hinzu.
Justine drehte sich um und sah ihren Vater ruhig an. »Ja, da sind eine Menge Leute und Fraktionen, auf die wir ein Auge haben sollten.«
»Ich bin überzeugt, die Regierung weiß, was sie tut. Schließlich warst du ihre erste Wahl. Besser geht’s nicht.«
»Genau genommen war ich ihre zweite.«
»Wer war die erste?«, fragte Kazimir neugierig.
»Toniea Gall.«
»Dieses Miststück!«, stieß er hervor. »Die würde niemand flachlegen wollen, nicht mal in einem Silent-World-Haus am Tag nach ihrer Rejuvenation. Kein Mensch kann sie ausstehen.«
»Nun, Dad, die Geschichte hat gewollt, dass die Siedlungsperiode ein kleines goldenes Zeitalter war.«
»Verdammt klein.«
Justine und Kazimir grinsten sich an. »Aber sie war eine ganz passable Präsidentin, soweit ich mich erinnere«, sagte Kazimir.
»Bullshit.«
»Ich werde auf dem Weg zum Senat noch bei der Hancher-Botschaft vorbeischauen«, sagte Justine. »Es wäre ganz nett, wenn wir über die Truppenbewegungen des Empires Bescheid wüssten.«
»Und ich mach mich daran, unsere Überwachungssysteme innerhalb des Empires neu einzustellen. Mal sehen, ob wir nicht ein klareres Bild bekommen von dem, was vorgeht«, sagte Kazimir.
Nachdem Justines Körper aus Tulip Mansion herausteleportiert war, zog sich Gores Primärbewusstsein wieder in die Geborgenheit der unermesslichen Weite von ANA zurück. Was den Speicherplatz der perzeptuellen Realität anbetraf, so war sie eher genügsam. Manche Leute hatten sich ganze Universen als Privattummelplatz geschaffen, hatten selbstregulierende Parameter angelegt, um die Konfiguration aufrechtzuerhalten. Die Körper, oder Kerne, oder Zentren, die sie in ihren Gedankenmodellen ausfüllten, waren vielseitig, da mit Fähigkeiten ausgestattet, die allein durch die jeweilige Umgebung definiert wurden. Wie weit sich solche Wirkungsbereiche erstreckten, war nicht mehr ganz klar. ANA war den Grenzen des physikalischen Räderwerks, das sie geboren hatte, längst entwachsen. Das operative Medium wurde nun in die Raumzeit-Quantenstruktur rund um die Erde getunnelt, eine einzigartige Domäne schaffend, in der ihre mannigfachen post-menschlichen Intelligenzen agieren konnten. Die zahlreichen Refugien breiteten sich in den Quantenfeldern mit der Beharrlichkeit und fragilen Schönheit von Sternennebeln aus, ein sich ständig wandelndes Gefüge, in Abhängigkeit von den Launen ihrer Schöpfer. Es war nicht länger eine Maschine oder künstliches Leben. Es war wirklich lebendig geworden.
Wozu es sich einmal entwickeln würde, war Thema einer beachtlichen und obsessiv geführten internen Debatte.
Die Fraktionen befanden sich zwar nicht im offenen Krieg um ANAs letztgültige Konfiguration, aber es herrschte ein erbitterter Widerstreit der Meinungen. Gore war nicht ganz aufrichtig gewesen, als er behauptet hatte, ein Konservativer zu sein. Es war zwar durchaus so, dass er den Gedanken, den Status quo zu erhalten, unterstützte. Dies aber nur,
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