Das Echo aller Furcht
Problem ist die Infrastruktur«, erklärte Jack. »Die Sowjets können eine solche Anlage nicht einfach in die Pampa stellen, weil nur wenige Leute Autos haben; Personal an den Arbeitsplatz zu bringen ist dort komplizierter als hier. Es sind solche Kleinigkeiten, die uns bei dem Versuch, die Russen zu verstehen, zum Wahnsinn treiben.«
»Andererseits ließen sich mit diesem Konstruktionsfehler auch alle möglichen anderen Vertragsverletzungen erklären.«
»Sehr gut, Ben«, bemerkte Jack. »Nun denken Sie wie ein richtiger Geheimdienstmann.«
»Was für ein verrückter Arbeitsplatz!«
»Lagerfähige Treibstoffe – hier Stickstofftetroxid als Oxidator und Hydrazin als Brennstoff – sind häßliche Substanzen: korrodierend, reaktiv, toxisch. Erinnern Sie sich an die Probleme, die wir mit der Titan-II hatten?«
»Nein«, gestand Goodley.
»Das war eine Interkontinentalrakete, die auch in der Raumfahrt benutzt wurde. Ihre Wartung war ein Alptraum. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gab es regelmäßig Lecks, die Metall zerfraßen und Menschen verletzten.«
»Haben wir jetzt die Positionen getauscht?« fragte Ben locker.
Ryan lächelte mit geschlossenen Augen. »Da bin ich nicht so sicher.«
»Eigentlich sollten uns bessere Daten vorliegen. Das Sammeln von Informationen ist schließlich unsere Aufgabe.«
»Tja, so habe ich auch mal gedacht. Von uns wird erwartet, daß wir über alles Bescheid wissen.« Ryan schlug die Augen auf. »Aber das war nie der Fall und wird es auch nie sein. Große Enttäuschung, was? Die alles durchdringende CIA. Wir stehen hier vor einem ziemlich wichtigen Problem, aber da uns sichere Daten fehlen, können wir nur spekulieren. Wie soll der Präsident seine Entscheidungen treffen, wenn wir ihm keine Fakten, sondern nur gelehrte Spekulationen liefern? Das habe ich schon in der Vergangenheit erklärt – schriftlich sogar. Die meiste Zeit versorgen wir die Regierung mit Vermutungen. Und manchmal ist es mir peinlich, so etwas weiterleiten zu müssen.« Jacks Blick fiel auf den Report der Rußlandabteilung, deren Experten eine Woche lang über SPINNAKERs Bericht gebrütet hatten und zu dem Schluß gekommen waren, daß der Agent vermutlich recht, die Sache vielleicht aber auch mißverstanden hatte.
Jack schloß wieder die Augen und wünschte sich, die Kopfschmerzen würden weggehen. »Sehen Sie, das ist unser strukturelles Problem. Wir sehen uns verschiedene Möglichkeiten an. Wer eine feste Prognose abgibt, läuft Gefahr, sich zu irren. Und wissen Sie was? An einen Fehler erinnern sich die Leute länger als an eine korrekte Vorhersage. Aus diesem Grund tendieren wir dazu, alle Möglichkeiten zu berücksichtigen. Einerseits ist das ehrlich, und andererseits legt man sich dabei nicht fest. Leider erfüllen wir damit die Erwartungen der Leute nicht. Unsere ›Kunden‹ brauchen weniger feste Daten als Hinweise auf wahrscheinliche Entwicklungen, aber das ist ihnen nicht immer klar, und das kann einen zum Wahnsinn treiben, Ben. Behörden verlangen Informationen, die wir meist nicht liefern können, und unsere eigene Bürokratie will sich natürlich keine Blöße geben. Willkommen in der wirklichen Welt der Nachrichtendienste.«
»Für einen Zyniker hätte ich Sie nie gehalten.«
»Ich bin kein Zyniker, sondern Realist. Manche Dinge wissen wir, andere nicht. Wir sind schließlich keine Roboter, sondern nur Menschen, die nach Antworten suchen und statt dessen immer neue Fragen finden. Hier im Haus sitzen viele gute Leute, aber die Bürokratie bringt individuelle Stimmen zum Verstummen. Und Fakten werden häufiger von Individuen entdeckt als von Komitees.« Es klopfte. »Herein.«
»Dr. Ryan, Ihre Sekretärin ist nicht...«
»Sie macht heute später Mittagspause.«
»Ich habe etwas für Sie, Sir.« Der Mann reichte ihm einen Umschlag. Ryan bestätigte den Empfang und schickte den Boten wieder weg.
»All Nippon Airlines sei Dank«, meinte Ryan, nachdem er den Umschlag geöffnet und einen weiteren Bericht von NIITAKA herausgenommen hatte. Dann fuhr er auf. »Himmel noch mal!«
»Probleme?« fragte Goodley.
»Dafür sind Sie nicht zugelassen.«
»Was gibt es für ein Problem?« fragte Narmonow.
Golowko war in der unangenehmen Lage, einen großen Erfolg mit bösen Konsequenzen melden zu müssen. »Wir haben uns seit einiger Zeit bemüht, amerikanische Chiffriersysteme zu entschlüsseln und hatten einige Erfolge, besonders im diplomatischen Verkehr. Hier ist eine Nachricht, die an
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