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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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keinerlei Finanzierungsprobleme.«
    Auch ich war bereit zum Aufbruch. Die Dossiers hielt ich schützend an die Brust gedrückt, als wären sie das Kind, das ich vor Jahren verloren hatte, und nicht eine Ansammlung von Daten über einen Haufen unerwünschter Personen. Mein Herz war nach wie vor an seinem Platz, obwohl es mir bis zum Hals schlug. Endlich erhoben wir uns von jenem Tisch, auf dem nur noch zurückblieb, was wie die harmlosen Reste eines langen, gemütlichen Beisammenseins aussah: benützte Kaffeetassen, ein voller Aschenbecher und zwei Stühle, die nicht an ihrem üblichen Platz standen. Als hätten dort nur zwei Freunde zusammengesessen, entspannt miteinander geplaudert und sich, von etlichen Zigaretten umnebelt, gegenseitig die neuesten Ereignisse in ihrem Leben berichtet. Nur dass Captain Hillgarth und ich keine Freunde waren. Dass keinen von uns beiden die Vergangenheit des anderen interessierte und ebenso wenig sein gegenwärtiges Leben. Uns beide kümmerte ausschließlich die Zukunft.
    » Noch ein allerletzter Punkt«, bemerkte er dann.
    Wir wollten gerade gehen, er hatte die Hand schon auf die Türklinke gelegt, zog sie nun aber zurück und sah mich unter seinen buschigen Augenbrauen mit festem Blick an. Trotz der langen Unterredung schaute er nicht anders aus als am Morgen: Der Krawattenknoten saß perfekt, die Manschetten des Hemdes spitzten makellos weiß aus den Ärmeln des Jacketts hervor, kein Haar tanzte aus der Reihe. Er hatte noch immer einen gleichmütigen Gesichtsausdruck. Das perfekte Bild eines Mannes, der in jeder Situation zur Selbstbeherrschung fähig ist. Dann senkte er die Stimme zu einem heiseren Murmeln.
    » Sie kennen mich nicht, und ich kenne Sie nicht. Wir sind uns nie begegnet. Und was Ihre Mitarbeit beim englischen Geheimdienst betrifft, so sind Sie für uns von diesem Moment an weder die spanische Staatsbürgerin Sira Quiroga noch die Marokkanerin Arish Agoriuq, sondern nur noch die Spezialagentin des SOE mit dem Codenamen Sidi und der Operationsbasis Spanien. Der unkonventionellste Neuzugang in letzter Zeit, aber zweifellos eine von uns.«
    Er reichte mir die Hand. Fest, kühl, sicher. Eine festere, kühlere, sicherere Hand hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gedrückt.
    » Viel Glück, Agentin Sidi. Wir bleiben in Kontakt.«

40
    Niemand außer meiner Mutter kannte den wahren Grund für meine überraschende Abreise. Nicht meine Kundinnen, nicht einmal Félix und Candelaria: Ihnen allen erzählte ich, dass ich nach Madrid reiste, um unsere alte Wohnung aufzulösen und einige andere Angelegenheiten zu regeln. Später würde meine Mutter als Erklärung dafür, dass sich meine Rückkehr verzögerte, die eine oder andere Notlüge erfinden – neue geschäftliche Perspektiven, irgendein Unwohlsein, vielleicht ein neuen Verehrer. Dass jemand Verdacht schöpfen oder sich etwas zusammenreimen könnte, davor hatten wir keine Angst. Transport- und Kommunikationswege waren zwar nicht mehr unterbrochen, aber von einer problemlosen Verbindung zwischen der spanischen Hauptstadt und Nordafrika konnte keine Rede sein.
    Trotz allem wollte ich mich von meinen Freunden richtig verabschieden und mir von ihnen gute Wünsche mit auf den Weg geben lassen. Also gab es am letzten Sonntag ein Abschiedsessen. Candelaria hatte sich auf ihre Weise herausgeputzt und trug zu dem neuen Kostüm, das wir ihr einige Wochen zuvor genäht hatten, eine Halskette aus falschen Perlen und die Haare zu einem Dutt Marke » arriba España« – Spanien lebe hoch! – auf dem Oberkopf mit Haarspray fixiert. Félix kam mit seiner Mutter herüber, es gab keine Möglichkeit, sie sich vom Hals zu schaffen. Auch Jamila war da, sie würde mir fehlen wie eine kleine Schwester. Wir stießen mit Wein und Sodawasser an und verabschiedeten uns mit schmatzenden Küssen, und alle wünschten mir von ganzem Herzen eine gute Reise. Erst als ich hinter meinen Gästen die Tür schloss, wurde mir bewusst, wie sehr sie mir fehlen würden.
    Bei comisario Vázquez wandte ich die gleiche Strategie an, auch wenn mir klar war, dass die Schwindelei bei ihm nicht zog. Wie sollte ich ihn auch täuschen können, wo er doch bestens Bescheid wusste über meine noch offenen Schulden und welche Panik mich überkam, wenn ich nur daran dachte? Er als Einziger ahnte, dass hinter meinem Aufenthalt in Madrid etwas ganz anderes steckte, etwas, über das ich nicht sprechen konnte. Nicht mit ihm, mit niemandem. Vielleicht hakte er deshalb lieber

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