Das Echo der Traeume
sich mit dem beschäftigen würden, was mich am meisten interessierte, entwischten. Zum Glück war beim Essen dem Wein ungeniert zugesprochen worden, und die Gemüter schienen sich entspannt zu haben. Vor allem die der Portugiesen.
» Nein, nein, da Silva, Himmel noch mal!«, rief einer von ihnen und schlug ihm volltönend mit der Hand auf die Schulter. » Seien Sie doch nicht so antiquiert, mein Freund! In der modernen Welt des Kapitals gehen Männer und Frauen überall gemeinsam hin!«
Manuel schwankte einen Augenblick. Offenbar hätte er es vorgezogen, die bevorstehenden Gespräche im intimen Kreis zu führen, aber die Leute aus Beira ließen ihm keine Wahl – lautstark erhoben sie sich vom Tisch und strebten in gehobener Stimmung wieder dem Salon zu. Einer von ihnen legte da Silva den Arm um die Schultern, ein anderer bot mir seinen Arm. Jetzt, da die anfängliche Zurückhaltung angesichts der Einladung in das große Haus eines reichen Mannes überwunden war, schienen sie zu frohlocken. In dieser Nacht würden sie einen Handel schließen, der ihnen erlauben würde, für sich selbst, ihre Kinder und Kindeskinder dem Elend die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Es gab nicht den geringsten Grund, dies hinter dem Rücken ihrer Ehefrauen zu tun.
Kaffee, Tabak und Pralinen wurden serviert. Mir fiel ein, dass mit dem Einkauf dieser Dinge Beatriz Oliveira beauftragt gewesen war. Auch die eleganten, unaufdringlichen Blumengestecke hatte sie besorgt. Ich nahm an, dass sie auch die Orchideen ausgewählt hatte, die ich an diesem Nachmittag bekommen hatte, und erschauderte erneut, als ich an Marcus’ unerwarteten Besuch zurückdachte. Das hatte zwei Gründe. Ich war gerührt und dankbar ihm gegenüber, weil er sich in dieser Weise um mich sorgte. Auf der anderen Seite erinnerte ich mich mit Schrecken an den Vorfall mit dem Hut vor da Silvas Assistenten. Gamboa hatte sich noch immer nicht blicken lassen. Vielleicht hatte ich Glück, und er aß zusammen mit seiner Familie, hörte sich die Klagen seiner Frau über die Fleischpreise an und vergaß, dass er im Zimmer der Ausländerin, die sein Chef umwarb, Hinweise auf die Anwesenheit eines anderen Mannes entdeckt hatte.
Nachdem es Manuel schon nicht gelungen war, mit den Männern einen anderen Raum aufzusuchen, sorgte er zumindest dafür, dass wir räumlich voneinander getrennt Platz nahmen. Die Männer in einer Ecke des weitläufigen Salons, in Ledersesseln vor dem brennenden Kamin. Die Frauen vor einem großen Fenster, das zum Garten führte.
Die Männer begannen ihre Unterredung, wohingegen wir uns in Lobeshymnen über die Qualität der Pralinen ergingen. Die Deutschen eröffneten die Unterhaltung mit Fragen, die sie in nüchternem Ton vorbrachten, während ich angestrengt die Ohren spitzte und im Geiste alles notierte, was ich aus der Entfernung aufschnappen konnte. Brunnen, Konzessionen, Genehmigungen, Tonnen. Die Portugiesen übten Kritik und brachten Gegenargumente vor, ihre Stimmen wurden lauter und sie sprachen schnell. Wahrscheinlich wollten Erstere die Männer aus Beira bis zum letzten Blutstropfen ausquetschen, und die rauen Bergbewohner, gewohnt, nicht einmal ihrem Vater zu trauen, waren nicht bereit, sich zu billig zu verkaufen. Zu meinem Glück begannen die Gemüter, sich zu erhitzen. Die bisweilen sehr lauten Stimmen waren nun bestens zu verstehen. Und mein Kopf hielt wie ein Aufnahmegerät alles fest, was sie sagten. Obwohl ich nach wie vor nicht genau wusste, worüber hier verhandelt wurde, konnte ich jede Menge einzelner Fakten aufschnappen. Stollen, Tragkörbe und Lastwagen, Bohrungen und Loren. Freies Wolfram und Wolfram-Legierungen. Qualitativ hochwertiges Wolfram ohne Quarz- oder Kiesbeimischung. Exportzölle. Sechshunderttausend Escudos pro Tonne, dreitausend Tonnen im Jahr. Obligationen, Goldbarren und Konten in Zürich. Und darüber hinaus schnappte ich auch ein paar richtig nahrhafte Happen, ganze Brocken Information auf. Dass da Silva seit Wochen geschickt die Fäden zog, um die wichtigsten Lagerstättenbesitzer zusammenzubringen, damit sie mit den Deutschen Exklusivverhandlungen führten. Damit sie, wenn alles lief wie geplant, in kaum zwei Wochen auf einen Schlag und alle gemeinsam die Verkäufe an die Engländer einstellten.
Angesichts der Geldsummen, über die gesprochen wurde, begriff ich, wie es zu dem Erscheinungsbild gekommen war, das die neureichen Wolframisten und ihre Frauen boten. Die Angelegenheit machte aus bescheidenen Bauern
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