Das Echo der Traeume
unglaublich schade.«
Er verließ das Zimmer geräuschlos, und ich blieb zurück, in Gesellschaft der schönsten Orchideen, die ich je gesehen hatte oder sehen sollte. Mit aller Macht kämpfte ich dagegen an, ihm hinterherzulaufen, um ihn zu umarmen, und versuchte unterdessen einzuschätzen, welche Konsequenzen dieses Missgeschick haben würde.
61
Als wir näher kamen, stellte ich fest, dass auf einer Seite der Allee schon mehrere Autos parkten. Groß, glänzend, dunkel. Imposant.
Da Silvas Landhaus lag nicht sehr weit von Estoril entfernt, aber doch weit genug, dass ich unmöglich zu Fuß zurück zum Hotel gelangen konnte. Ich bemerkte ein paar Schilder: Guincho, Malveira, Colares, Sintra. Trotzdem hatte ich nicht die geringste Ahnung, wo wir uns befanden.
João bremste sanft, und die Reifen knirschten auf dem Kies. Ich wartete, bis er mir die Tür öffnete. Dann setzte ich langsam erst einen, dann den anderen Fuß hinaus. Erst jetzt sah ich die Hand, die sich mir entgegenstreckte.
» Willkommen im Landhaus Quinta da Fonte, Arish.«
Ich stieg vorsichtig aus dem Auto. Der goldfarbene Lamé lag eng an meinem Körper an und zeichnete meine Silhouette nach, im Haar trug ich drei der Orchideen, die er selbst mir durch Gamboa geschickt hatte. Mit einem raschen Blick suchte ich beim Aussteigen den Sekretär, aber er war nicht da.
Die Nacht war erfüllt vom Duft der Orangen und der Kühle der Zypressen, die Laternen an der Fassade verbreiteten ein Licht, das mit den Steinen des großen Hauses zu verschmelzen schien. Während ich an seinem Arm den Weg die Treppe zum Eingang hinaufschritt, fiel mir ein riesiges Wappen über der Tür auf.
» Das Emblem der Familie da Silva, nehme ich an.«
Ich wusste nur zu gut, dass der Großvater, der eine Hafentaverne betrieben hatte, niemals von einem Adelswappen nur zu träumen gewagt hätte.
Die Gäste warteten in einem großen, mit schweren Möbeln eingerichteten Salon, in dessen einer Ecke ein großer Kamin brannte. Die im Raum verteilten Blumengestecke kamen gegen die kühle Atmosphäre nicht an. Auch das kühle Schweigen aller Anwesenden trug nicht dazu bei, Behaglichkeit aufkommen zu lassen. Ich zählte schnell die Gäste. Zwei, vier, sechs, acht, zehn. Zehn Personen, fünf Paare. Und da Silva. Und ich. Insgesamt zwölf Personen. Als hätte er meine Gedanken gelesen, verkündete Manuel:
» Es fehlt noch jemand, noch ein deutscher Gast, der bestimmt gleich eintrifft. Komm, Arish, ich mache dich bekannt.«
Im Moment war das Verhältnis fast ausgeglichen: drei portugiesische Paare und zwei deutsche plus dasjenige, das noch erwartet wurde. So weit reichte die Symmetrie, allerdings nicht weiter, denn alles Übrige war sehr unharmonisch. Die Deutschen waren dunkel gekleidet: nüchtern, diskret, dem Ort und dem Anlass angemessen. Ihre Ehefrauen waren nicht übertrieben elegant, aber stilvoll angezogen. Die Portugiesen waren von ganz anderem Schlag, sowohl die Männer als auch die Frauen. Zwar trugen die Männer Anzüge aus gutem Stoff, machten den Eindruck der guten Qualität jedoch zunichte, indem sie sich darin mit der Anmut von Kleiderständern bewegten: kräftige Körper von Männern vom Lande, mit kurzen Beinen, dicken Hälsen und großen Händen mit kaputten Fingernägeln und Schwielen. Alle drei trugen in der oberen Jackentasche nagelneue Füllfederhalter, und sobald sie lächelten, sah man in ihren Mündern die Goldzähne blitzen. Ihre Frauen, ebenfalls von gedrungenem Körperbau, bemühten sich, in hohen glänzenden Schuhen, in die ihre geschwollenen Füße kaum hineinpassten, das Gleichgewicht zu halten. Eine von ihnen trug eine äußerst schlecht sitzende Haube, um die Schultern der anderen hing eine riesige Pelzstola, die dauernd über den Boden schleifte. Die dritte säuberte sich nach jedem Kanapee, das sie verzehrte, den Mund mit dem Handrücken.
Vor meinem Eintreffen hatte ich irrtümlich angenommen, Manuel habe mich zu seinem Fest eingeladen, um mich vor seinen Gästen zur Schau zu stellen: ein exotisches Dekorationsobjekt, das seine Rolle des mächtigen Macho unterstrich und vielleicht die anwesenden Damen mit Gesprächen über Mode, mit Anekdoten über hohe deutsche Funktionäre und ähnliche Banalitäten unterhalten und belustigen konnte. Kaum hatte ich allerdings einen ersten Eindruck von der Atmosphäre gewonnen, wusste ich auch schon, dass ich mich getäuscht hatte. Obwohl er mich wie einen ganz normalen Gast empfangen hatte, war ich von da Silva nicht
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