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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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das beschäftigte mich nicht sehr lange. Die übrige Zeit, die ich mich zurückgezogen hatte, widmete ich etwas Transzendenterem: nämlich der Übertragung all der Informationen, die ich im Landhaus von da Silva aufgeschnappt hatte, in Tausende kleiner, mit Bleistift skizzierter Steppstiche. Dieses Vorhaben nahm etliche Stunden in Anspruch. Ich hatte bereits gleich nach meiner Rückkehr ins Hotel im Morgengrauen begonnen, als mir alles Gehörte noch frisch im Gedächtnis war. Angesichts der unzähligen Einzelheiten bestand die Gefahr, dass ich einen Großteil davon vergaß, wenn ich nicht sofort alles festhielt. Ich schlief lediglich drei oder vier Stunden. Sobald ich erwachte, setzte ich meine Arbeit fort. Im Laufe des Vormittags und in den frühen Nachmittagsstunden leerte ich all diese Daten, Skizze um Skizze, aus meinem Kopf in das Heft, bis ich ein Arsenal kurzer und präziser Angaben beisammenhatte. Das Ergebnis waren mehr als vierzig scheinbare Schnittmuster, die vor Namen, Zahlen, Daten, Orten und Tätigkeiten wimmelten und die Seiten meines unschuldigen Zeichenheftes füllten. Schnittmuster für Ärmel, für Manschetten und für Rückenteile, für den Bund, Taillen und Vorderteile; Partien von Kleidungsstücken, die ich niemals nähen würde, zwischen deren Säumen sich die Geheimnisse einer makaberen wirtschaftlichen Transaktion verbargen, die zum Ziel hatte, den zerstörerischen Vormarsch der deutschen Truppen zu erleichtern.
    Mitten am Vormittag klingelte das Telefon. Das Geräusch erschreckte mich derart, dass eine feine Linie, die ich in diesem Augenblick skizzierte, zu einem schroffen, krummen Strich geriet, den ich später ausradieren musste.
    » Arish? Guten Morgen, hier ist Manuel. Hoffentlich habe ich dich nicht geweckt.«
    Ich war vollkommen wach: geduscht, beschäftigt und alarmiert. Schon seit Stunden saß ich an der Arbeit, gab meiner Stimme aber einen verschlafenen Klang. Auf gar keinen Fall durfte ich ihn ahnen lassen, dass die Dinge, die ich in der Nacht zuvor gesehen und gehört hatte, einen unaufhaltsamen Tatendrang ausgelöst hatten.
    » Kein Problem, es ist bestimmt schon furchtbar spät …«, log ich.
    » Fast Mittag. Ich wollte dir nur noch einmal danken, dass du gestern meiner Einladung gefolgt bist und dich den Frauen meiner Freunde gewidmet hast.«
    » Nichts zu danken. Es war auch für mich ein sehr schöner Abend.«
    » Wirklich? Hast du dich nicht gelangweilt? Ich mache mir gerade Vorwürfe, dir nicht ein bisschen mehr Aufmerksamkeit geschenkt zu haben.«
    Vorsicht, Sira, Vorsicht. Er prüft dich, dachte ich. Gamboa, Marcus, der vergessene Hut, Bernhardt, das Wolfram, Beira, alles klumpte sich in meinem Kopf mit der Kälte eines Eiskristalls zusammen, während ich weiterhin eine sorglose und noch ganz verschlafene Stimme vorgaukelte.
    » Nein, Manuel, mach dir keine Gedanken, wirklich. Die Gespräche mit den Frauen deiner Freunde waren sehr unterhaltsam.«
    » Gut, und was hast du für deinen letzten Tag in Portugal geplant?«
    » Überhaupt nichts mehr. Ein gemütliches Bad und Packen. Ich habe nicht vor, heute das Hotel zu verlassen.«
    Ich hoffte, er würde sich mit dieser Antwort zufriedengeben. Wenn Gamboa ihn informiert hatte und er annahm, dass ich mich hinter seinem Rücken mit einem Mann traf, würde vielleicht die Tatsache, dass ich im Hotel blieb, seinen Verdacht zerstreuen. Mein Wort würde ihm natürlich nicht genügen: Er würde schon dafür sorgen, dass jemand mein Zimmer überwachte und vielleicht auch das Telefon abhörte, doch ich hatte nicht vor, mit irgendjemandem außer ihm zu sprechen. Ich würde ein braves Mädchen sein: mich nicht vom Hotel entfernen, das Telefon nicht benutzen und keinen Besuch empfangen. Ich würde mich allein und gelangweilt im Restaurant, an der Rezeption und in den Salons sehen lassen, und abreisen würde ich unter den Augen sämtlicher Gäste und Angestellten, begleitet nur von meinem Gepäck. So dachte ich jedenfalls, bis er etwas anderes vorschlug.
    » Du hast dir Ruhe verdient, das ist klar. Aber ich möchte nicht, dass du abreist, ohne dass ich mich von dir verabschiedet habe. Darf ich dich zum Bahnhof bringen? Wann geht dein Zug?«
    » Um zehn«, erklärte ich. Ohne die geringste Lust, ihn noch einmal zu sehen.
    » Dann hole ich dich um neun vom Hotel ab, einverstanden? Ich würde gern etwas früher kommen, doch ich habe den ganzen Tag zu tun.«
    » Kein Problem, Manuel, auch ich brauche die Zeit, um alles zu organisieren.

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