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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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als Statistin geholt worden, sondern um ihn in der Rolle des Zeremonienmeisters zu unterstützen und mit Geschick die seltsame, dort anwesende Gesellschaft zu hüten wie eine Herde. Meine Rolle würde es sein, das Scharnier zwischen Deutschen und Portugiesen zu spielen, eine Brücke zu schlagen, ohne die die Damen beider Gruppen während des ganzen Abends kaum mehr hätten tun können, als Blicke zu wechseln. Wenn er wichtige Fragen zu behandeln hatte, konnte er keinesfalls ein paar gelangweilte, schlecht gelaunte Frauen brauchen, die nur darauf warteten, von ihren Männern wieder nach Hause gebracht zu werden. Er wollte mich dabeihaben, damit ich ihm zur Hand ging. Ich hatte ihm am Vortag den Handschuh hingeworfen, und er hatte ihn aufgehoben: Jeder von uns beiden profitierte von der Situation.
    Na schön, Manuel, du sollst bekommen, was du wünschst, dachte ich. Ich hoffe, dass du dich anschließend revanchierst. Und damit alles so lief, wie er es geplant hatte, knüllte ich meine Ängste zu einer festen Kugel zusammen, schluckte sie hinunter und setzte das faszinierendste Gesicht auf, das meine falsche Persönlichkeit zu bieten hatte. Mit ihm als Aushängeschild ließ ich meinen vermeintlichen Charme ohne jede Zurückhaltung spielen und gab mich strotzend vor Wohlwollen, beiden Nationalitäten gegenüber in gleichem Maße. Ich äußerte Bewunderung über die Haube und die Stola der Frauen aus der Provinz Beira, machte ein paar Scherze, über die alle lachten, ließ mir von einem Portugiesen den Hintern tätscheln und pries die herausragenden Eigenschaften des deutschen Volkes. Ohne jede Scham.
    Bis eine schwarze Wolke an der Tür erschien.
    » Entschuldigt, meine Freunde«, verkündete da Silva. » Ich möchte Ihnen Johannes Bernhardt vorstellen.«
    Er war älter geworden, hatte zugenommen und Haare verloren, aber er war, ohne jeden Zweifel, der Bernhardt aus Tetuán. Derjenige, der häufig am Arm einer Dame, die ihn jetzt nicht begleitete, durch die Calle del Generalísimo flaniert war. Derjenige, der mit Serrano Suñer die Installation deutscher Antennen auf marokkanischem Territorium verhandelt und mit ihm vereinbart hatte, Beigbeder aus diesen Angelegenheiten herauszuhalten. Derjenige, der nie erfahren hatte, dass ich sie, auf dem Boden hinter einem Sofa versteckt liegend, belauscht hatte.
    » Entschuldigen Sie die Verspätung. Wir hatten eine Autopanne und mussten lange in Elvas warten.«
    Ich versuchte meine Verblüffung zu verbergen, indem ich ein Glas nahm, das ein Kellner mir anbot, und rechnete im Kopf schnell nach: Wann waren wir zuletzt irgendwo aufeinandergetroffen, wie oft waren wir uns auf der Straße begegnet, wie lange hatte ich ihn in jener Nacht im Hochkommissariat gesehen? Als Hillgarth mir ankündigte, Bernhardt habe sich auf der Halbinsel niedergelassen und leite die große Korporation, die sich mit den wirtschaftlichen Interessen der Nazis in Spanien befasse, hatte ich ihm erklärt, er würde mich vermutlich nicht wiedererkennen, falls er mir irgendwann zufällig über den Weg liefe. Jetzt allerdings war ich mir nicht mehr so sicher.
    Während die Männer einander begrüßten, wandte ich ihnen den Rücken zu, dem Anschein nach äußerst beflissen, mich den Damen gegenüber entzückend zu zeigen. Nun wurde über die Orchideen in meinem Haar gesprochen, und als ich die Knie beugte und den Kopf drehte, damit alle sie bewundern konnten, konzentrierte ich mich darauf, ein paar Brocken Informationen aufzuschnappen. Ich registrierte von Neuem die Namen, um sie mir auch ganz bestimmt merken zu können: Weiss und Wolters waren die Deutschen, die der gerade aus Spanien angereiste Bernhardt nicht kannte. Almeida, Rodrigues und Ribeiro hießen die Portugiesen. Portugiesen aus der Provinz Beira, aus den Bergen. Minenbesitzer. Nein, korrekt ausgedrückt, waren sie kleine Eigentümer schlechter Böden, die von der Vorsehung mit Mineralien bedacht worden waren. Um welches Mineral handelte es sich? Das entzog sich zu diesem Zeitpunkt meiner Kenntnis. Ich wusste noch immer nicht, was dieser Wolfsschaum sein sollte, den Beatriz Oliveira in der Kirche erwähnt hatte. Und dann vernahm ich endlich das Wort, auf das ich gewartet hatte: Wolfram.
    Aus den Tiefen meiner Erinnerung holte ich hastig die Daten hervor, die Hillgarth mir in Tanger gegeben hatte: Es handelte sich um ein Mineral, das für die Herstellung von Geschossen für den Krieg unentbehrlich war. Und im Schlepptau dieser Erinnerung befand sich noch

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