Das Echo der Traeume
der Eisstückchen in seinem Whisky unterbrach die Stille, als Hillgarth sein Glas zum Mund führte. Seine Frau verbarg ihre Verwirrung mit einem tiefen Zug an ihrer Craven A.
» Ich nehme an, das ist der Preis für das, was Sie uns aus Lissabon mitgebracht haben«, meinte er schließlich.
» Dafür und für alle künftigen Missionen, bei denen ich meine Haut zum Markte tragen werde, ich gebe Ihnen mein Wort. Mein Ehrenwort als Schneiderin und mein Ehrenwort als Spionin.«
69
Dieses Mal erhielt ich keinen schlichten Rosenstrauß mit einem Band voller Striche und Punkte, keinen Strauß wie jene, die Hillgarth mir zu schicken pflegte, um mir eine Nachricht zu übermitteln. Es waren auch keine exotischen Blumen wie jene von Manuel da Silva, bevor er beschloss, dass es ihm besser zupasskam, wenn er mich umbringen ließ. Was Marcus mir in jener Nacht brachte, war etwas ganz Kleines, Bescheidenes, eine zarte Rosenknospe, von irgendeinem Strauch abgerissen, der in diesem Frühjahr nach dem harten Winter im Schutz einer Gartenmauer wie durch ein Wunder gedieh. Eine winzige Rose. Passend in ihrer Schlichtheit, vollkommen ungekünstelt.
Ich erwartete ihn nicht, und gleichzeitig erwartete ich ihn doch. Einige Stunden zuvor hatte er zusammen mit den Hillgarth’ das Haus meines Vaters verlassen, der Marineattaché hatte ihn gebeten mitzukommen, wahrscheinlich wollte er ohne mich mit ihm reden. Ich kehrte allein nach Hause zurück, ohne zu wissen, wann er kommen würde. Ob er überhaupt kommen würde.
» Für dich«, sagte er zur Begrüßung.
Ich nahm das Röschen und ließ ihn eintreten. Er hatte den Krawattenknoten gelockert, als hätte er bewusst beschlossen, auf diese Weise für ein wenig Entspannung zu sorgen. Mit langsamen Schritten ging er in den Salon. Er schien bei jedem Schritt einen Gedanken zu formulieren und zu überlegen, welche Worte er wählen sollte. Schließlich drehte er sich um und wartete, bis ich vor ihm stand.
» Du weißt, was uns bevorsteht, oder?«
Ich wusste es, natürlich. Wir bewegten uns auf sumpfigem, gefährlichem Terrain, in einem Dschungel aus Lügen und einem geheimen Räderwerk mit messerscharfen Kanten. Eine verborgene Liebe in Zeiten des Hasses, des Mangels und des Verrats, das war es, was uns erwartete.
» Ich weiß es, ja.«
» Es wird nicht leicht sein«, fügte er hinzu.
» Nichts ist je leicht«, ergänzte ich.
» Es kann hart werden.«
» Vielleicht.«
» Und gefährlich.«
» Auch das.«
Fallen umgehen, Risiken einschätzen. Ohne feste Pläne, mit allen Widrigkeiten, allen Gefahren – so würden wir leben müssen. Abenteuerlust und Mut miteinander verbinden. Mit Beharrlichkeit, Courage und der Kraft, die das Wissen verleiht, dass man gemeinsam für eine Sache kämpft.
Wir sahen uns tief in die Augen, und wieder überfiel mich die Erinnerung an Nordafrika, wo alles begonnen hatte. Seine Welt und meine Welt – zuvor so weit voneinander entfernt, jetzt einander so nah – hatten endlich zueinandergefunden. Und dann nahm er mich in seine Arme, und in dieser warmen, zärtlichen Nähe fand ich die Gewissheit, dass wir bei dieser besonderen Mission bestimmt nicht scheitern würden.
EPILOG
Das war meine Geschichte, zumindest wie ich mich an sie erinnere, vielleicht ein wenig geschönt durch die Patina und Wehmut, die allen Dingen nach Jahrzehnten anhaftet. Das war meine Geschichte, ja. Ich habe vier Jahre lang für den britischen Geheimdienst gearbeitet, Informationen über die Deutschen auf der Iberischen Halbinsel gesammelt und sie präzise und pünktlich weitergegeben. Ich hatte keine Ahnung von militärischer Strategie, niemand hatte mich gelehrt, wie man die Topografie des Geländes für den Kampf nutzt oder mit Sprengstoffen umgeht, aber die von mir genähten Kleider passten perfekt und der exzellente Ruf meines Ateliers schützte mich vor jedem Verdacht. Ich unterhielt es bis 1945 und wurde zur Meisterin des doppelten Spiels.
Was in Spanien nach dem Zweiten Weltkrieg geschah und welche Spuren die hier erwähnten historischen Personen hinterließen, ist in den Geschichtsbüchern und Archiven nachzulesen. Trotzdem möchte ich es kurz zusammenfassen, falls jemand wissen möchte, was aus ihnen geworden ist. Ich werde mich bemühen, meine Sache gut zu machen. Schließlich war das immer meine Arbeit: einzelne Teile zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen.
Beginnen möchte ich mit Beigbeder, der vielleicht tragischsten Figur in dieser Geschichte. Wie ich erfuhr,
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