Das Echo der Traeume
mit der Ausrede zu nähern, dass ich seiner Geliebten einen Dienst erweisen könne. Aber es gab ein kleines Problem: Zu jener Zeit lag ich halb tot im Royal London Hospital, vollgestopft mit Morphium vor mich hin dämmernd.«
» Aber du hast es gewagt, uns alle hinters Licht geführt und dein Ziel erreicht …«
» Mehr als das«, sagte er. Ein leises Lächeln umspielte seinen Mund, zum ersten Mal, seit wir uns in die Bibliothek zurückgezogen hatten. Da spürte ich wieder jenes Kribbeln: Endlich kam der Marcus zum Vorschein, nach dem ich mich so sehr gesehnt hatte, den ich an meiner Seite wissen wollte. » Es waren ganz besondere Tage«, fuhr er fort. » Nachdem ich über ein Jahr die Kriegswirren in Spanien erlebt hatte, war Marokko das Beste, was mir passieren konnte. Ich erholte mich und führte meine Mission mit exzellentem Ergebnis durch. Und lernte dich kennen. Mehr konnte ich nicht verlangen.«
» Wie hast du das angestellt?«
» Fast jede Nacht habe ich von meinem Zimmer im Hotel Nacional aus Informationen übermittelt. Ich hatte einen kleinen Funksender dabei, im doppelten Boden des Koffers versteckt. Ich schrieb täglich einen verschlüsselten Bericht über alles, was ich gesehen, gehört und getan hatte. Danach leitete ich ihn, sobald ich Gelegenheit hatte, an einen Kontaktmann in Tanger weiter, einen Angestellten bei Saccone & Speed.«
» Hatte niemand einen Verdacht gegen dich?«
» Doch, natürlich. Beigbeder war kein Dummkopf, das weißt du so gut wie ich. Sie haben mein Zimmer mehrere Male durchsucht, aber wahrscheinlich haben sie jemanden geschickt, der wenig Erfahrung hatte, denn sie haben nie etwas gefunden. Auch die Deutschen argwöhnten etwas, aber auch sie fanden nichts heraus. Ich meinerseits habe mich sehr bemüht, möglichst keinen falschen Schritt zu tun. Ich habe zu niemandem außerhalb des offiziellen Kreises Kontakt aufgenommen und mich aus allem, was heikel sein konnte, herausgehalten. Im Gegenteil: Ich habe mich untadelig benommen und nur an der Seite von unverdächtigen Personen sehen lassen. Alles ganz sauber, dem Anschein nach. Noch eine Frage?«
Er wirkte jetzt weniger angespannt, mir näher. Wieder mehr der Marcus von früher.
» Warum bist du Hals über Kopf abgereist? Du hast mir nicht Bescheid gesagt. Du bist nur eines Morgens in meiner Wohnung erschienen, hast mich informiert, dass meine Mutter auf dem Weg ist, und dann hast du dich nicht mehr sehen lassen.«
» Weil man mich angewiesen hatte, das Protektorat sofort zu verlassen. Es kamen immer mehr Deutsche, es war durchgesickert, dass mich jemand verdächtigte. Dennoch ist es mir gelungen, meine Abreise ein paar Tage hinauszuzögern, und ich habe damit meine Enttarnung riskiert.«
» Warum?«
» Weil ich nicht abreisen wollte, ohne Gewissheit zu haben, dass die Evakuierung deiner Mutter so gelaufen war, wie wir gehofft hatten. Ich hatte es dir versprochen. Nichts hätte mich mehr gefreut, als bei dir bleiben zu können, aber es konnte nicht sein: Meine Welt war eine andere, und meine Zeit war gekommen. Und außerdem war es auch für dich nicht der beste Zeitpunkt. Du hattest dich noch nicht von einer gescheiterten Beziehung erholt und warst überhaupt nicht bereit, einem anderen Mann zu vertrauen, am wenigsten jemandem, der dich notgedrungen wieder verlassen musste, ohne wirklich sagen zu dürfen, warum. Das ist alles, meine liebe Sira. War es das, was du hören wolltest? Hilft dir diese Version der Geschichte?«
» Oh ja!«, sagte ich, stand auf und ging auf ihn zu.
» Nun, gehört der Preis mir?«
Ich sagte nichts, sondern setzte mich nur auf seinen Schoß und legte ihm die Arme um den Hals. Mein Gesicht berührte das seine, meine leuchtend roten Lippen waren nur einen halben Zentimeter von seinem Ohrläppchen entfernt. Ich spürte, wie er sich durch meine Nähe verspannte.
» Ja, du hast dir deinen Preis redlich verdient«, flüsterte ich ihm ins Ohr. » Aber womöglich bin ich ein vergiftetes Geschenk.«
» Vielleicht. Um das zu beurteilen, muss ich jetzt auch etwas über dich wissen. Als ich dich in Tetuán zurückgelassen habe, warst du eine junge Schneiderin, ein zärtliches, naives Mädchen. Und dann treffe ich dich in Lissabon wieder als eine Frau, die Kontakt zu einem zwielichtigen Mann hat. Ich möchte wissen, was in der Zwischenzeit passiert ist.«
» Du wirst es sofort erfahren. Und damit dir keine Zweifel bleiben, wird es dir eine andere Person berichten, jemand, den du schon kennst, glaube
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