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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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da, als trüge er eine große Last auf seinen Schultern. Seine Hände ruhten schlaff auf den Knien, Hunderte von rötlichen Äderchen schimmerten durch die Gesichtshaut, unter den Augen lagen tiefe Ringe. Von der Haltung auf dem Zeitungsfoto, das ihn mit herausforderndem Blick neben seinem Auto stehend zeigte, war nichts mehr zu sehen. All seine Selbstsicherheit, das Machogehabe, ja sogar ein Teil seiner Jugend schienen sich in nichts aufgelöst zu haben. Er starrte auf einen Punkt in der Ferne, von dem er sich nur mühsam löste, als Amaia und Jonan Etxaide den Verhörraum betraten.
    »Hallo, Miguel Angel!«
    Er antwortete nicht, seufzte nur und sah sie an.
    »Ich bin Inspectora Salazar, und das hier ist Subinspector Etxaide. Wir würden gern mit dir über Carla Huarte sprechen.«
    Als wäre er unendlich müde, hob er den Kopf und flüsterte: »Was ich zu sagen hatte, habe ich gesagt, das können Sie alles nachlesen. Ich habe sie nicht umgebracht, und das ist die Wahrheit. Lassen Sie mich in Frieden, und reden Sie mit meinem Anwalt!« Er ließ den Kopf wieder sinken und starrte auf seine trockenen, blassen Hände.
    »Na gut, das war jetzt ein etwas holpriger Start«, sagte Amaia. »Dann will ich’s mal anders versuchen. Ich glaube nicht, dass du Carla umgebracht hast.«
    Überrascht blickte Miguel Angel auf.
    »Ich glaube, dass sie noch lebte, als du weggefahren bist, und dass sich erst danach jemand an sie herangemacht und sie getötet hat.«
    »Ja«, stammelte Miguel Angel und begann zu zittern, Tränen liefen ihm übers Gesicht, »so muss es gewesen sein. Ich war’s jedenfalls nicht, das müssen Sie mir glauben. Ich habe sie nicht umgebracht.«
    »Ich glaube dir«, sagte Amaia und schob ihm über den Tisch ein Päckchen Taschentücher zu, »und ich werde dir helfen.«
    Der Junge faltete die Hände und flehte: »Bitte holen Sie mich hier raus!«
    »Das werde ich, aber vorher musst du mir behilflich sein«, sagte sie sanft.
    Miguel Angel wischte sich die Tränen ab und nickte.
    »Erzähl mir von Carla. Wie war sie?«
    »Eine Wahnsinnsfrau, superhübsch, total aufgeschlossen, hatte jede Menge Freunde.«
    »Wie habt ihr euch kennengelernt?«
    »In der Schule. Ich bin allerdings schon raus aus dem Laden und arbeite. Bis das hier passiert ist, habe ich mit meinem Bruder Dächer geteert. Anstrengender Job, aber die Kohle stimmt. Carla war sitzengeblieben und hätte die Schule am liebsten geschmissen, aber ihre Eltern waren dagegen.«
    »Du sagst, sie hatte viele Freunde. Hatte sie neben dir noch andere Männer?«
    »Quatsch«, sagte er so heftig, als hätte er neue Energie getankt. »Sie war mit mir zusammen und mit sonst keinem.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«
    »Bin ich eben. Fragen Sie ihre Freundinnen, Carla war total in mich verknallt.«
    »Hattet ihr Sex?«
    »Und wie!«, sagte er grinsend.
    »Carlas Leiche hatte Bissspuren von dir auf der Brust.«
    »Das habe ich bei meiner Aussage doch erklärt. Carla stand auf so was. Und ich auch. Die etwas härtere Tour. Na und? Ich hab sie nicht geschlagen oder so, war alles nur Spiel.«
    »Du sagst, dass sie immer für Sex zu haben war«, schaltete sich Etxaide ein und warf einen kurzen Blick auf das Protokoll von damals. »Andererseits hat sie dich in dieser Nacht abblitzen lassen, worüber du ziemlich sauer warst. Passt irgendwie nicht zusammen, findest du nicht?«
    »Immer wenn Drogen mit im Spiel waren, konnte ihre Stimmung von einer Sekunde auf die andere kippen: gerade noch geil, dann plötzlich paranoid. Natürlich war ich angepisst, als sie auf einmal nicht mehr wollte, aber ich habe sie zu nichts gezwungen und schon gar nicht ermordet. Außerdem kam das öfters vor.«
    »Hast du sie dann auch immer mitten in der Pampa aus dem Auto geworfen?«
    Miguel Angel sah ihn wütend an und schluckte, bevor er antwortete.
    »Nein, das war das erste Mal. Und ich habe sie auch nicht aus dem Auto geworfen, sondern sie ist freiwillig ausgestiegen und wollte ums Verrecken nicht wieder einsteigen, dabei habe ich sie echt angefleht. Irgendwann hatte ich die Schnauze voll und bin abgedüst.«
    »Du hattest Kratzspuren am Hals«, sagte Amaia.
    »Hab ich doch schon gesagt, sie stand auf so was. Manchmal war mein Rücken ein richtiges Schlachtfeld, da können Sie unsere Freunde fragen. Die haben sich jedes Mal totgelacht, wenn wir in der Sonne lagen und sie die Bissspuren gesehen haben. Wölfin haben sie sie genannt.«
    »Wann hattet ihr zum letzten Mal Sex?«
    »Am Tag

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