Das echte Log des Phileas Fogg
den echten Boten aufgehalten und mich als Detektiv ausgewiesen. Ich sagte ihm, ich brauche das Telegramm als Beweisstück in einem Kriminalfall. Dann las ich das Telegramm und kam so schnell wie möglich hierher.«
»Halten Sie den Mund!« befahl Nemo. Er ging zur Lampe und las das Telegramm, einmal wortlos und einmal laut. Man sah ihm unmißverständlich an, daß ihm der Text weder beim einen noch beim anderen Mal behagte.
LASSEN SIE DIE 3 UM 20.30 UHR UNVERSEHRT FREI UND SIE KOMMEN NOCH EINMAL DAVON STOP WIR HABEN NESSE I STOP DER URALTE LEBT NICHT MEHR STOP MEINEN GLÜCKWUNSCH STOP SIE SIND NUN DER CHEF STOP ZIEHEN SIE DIE KONSEQUENZEN STOP CHEF DER ERID
Fix schob seine Hände in die Taschen, um zu verheimlichen, daß sie zitterten. »Was hat das zu bedeuten?« fragte er.
»Es ist deutlich genug«, sagte Nemo verächtlich. »Durch den Transmissionslärm bei meiner Ankunft ist es ihnen gelungen, Nesse I zu lokalisieren. Dafür brauchten sie einige Zeit, so daß ich bereits fort war, als sie kamen. Sie haben unseren Chef getötet, den letzten…«
Er verstummte, als ihm die Auswirkungen auf die Kampfmoral einfielen, die es haben mußte, erfuhren die anderen, daß der letzte capellanische Uralte tot war. Es war zu spät. Die anderen hatten begriffen, was er sagen wollte.
»Der Uralte ist tot!« jammerte Fix in weinerlichem Tonfall.
»Vielleicht«, meinte Nemo. »Womöglich lügen die Eridaner, sogar wahrscheinlich. Aber das Telegramm enthält jedenfalls die Wahrheit über die hiesige Situation. Der eridanische Chef setzt uns eine Frist bis 20.30 Uhr, um Fogg, den Franzosen und Miß Jejeebhoy freizulassen. Tun wir’s nicht, wird man uns vermutlich angreifen, gleichwohl wie viele Erdlinge den Kampf bemerken mögen.«
Fix trat ans Fenster, anscheinend in der Absicht, nach draußen zu blicken.
»Lassen Sie das!« fuhr Nemo ihn an. »Der Gegner beobachtet das Haus.« Für einen Moment stand er nur da, massierte sein inzwischen verquollenes Kinn und überlegte. »Holen Sie Osbaldistone und Vandeleur.«
»Und was ist mit…?«
»Die anderen? Sie werden es nicht bemerken, daß wir sie unbewacht lassen, und nicht die Türen öffnen, aus Furcht, eine Kugel in den Kopf zu bekommen. Alle müssen von der neuen Situation unterrichtet werden. Moran kann es später erfahren; falls sie ihn das Haus betreten sähen, würden sie vielleicht durch die rückwärtigen Fenster ausbrechen. Beeilen Sie sich!«
Fix erklomm die Treppen und holte Vandeleur und Osbaldistone nach unten. In der zweiten Etage flüsterte er ihnen die Neuigkeit zu. Vandeleur schwieg. Der Baronet erbleichte. »Der letzte der Uralten… tot«, murmelte er. »Was tun wir jetzt?«
»Nemo meint, es könne sich ebensogut um eine Lüge der Eridaner handeln«, sagte Fix. »Ich allerdings bezweifle das. Sie müssen Nesse I genommen haben; woher sonst könnten sie wissen, daß es unser Erstes Hauptquartier und Aufenthaltsort des Uralten war? Jedenfalls ist nun Nemo der oberste Chef.«
Nemo bestätigte seine Äußerungen uneingeschränkt. »Wir sollten jedoch keinesfalls wähnen, daß die Eridaner nun im Vorteil seien, weil in ihren Reihen noch einer der Alten sein könnte«, sagte er. »Nach unseren Kenntnissen ist das nicht der Fall. Und wenn doch, was soll’s? Die Alten waren nicht intelligenter als wir. Nach meiner Auffassung war ihre Fremdartigkeit in der Tat eher ein Hemmnis. Nur ein echter Mensch kann am besten wissen, wie man andere Menschen bekämpft, und fortan haben wir Capellaner einen Menschen zum Führer – mich. Künftig können wir den Krieg nach unserem Belieben und mit einem realistischeren Ziel führen.«
Fix überlegte, was Nemo wohl unter einem realistischeren Ziel verstand. Wollte er den Großen Plan verwerfen und die Rasse für persönliche Zwecke mißbrauchen, nämlich seine persönlichen Zwecke?
»Doch was wird aus der Blutsbruderschaft?« klagte Osbaldistone. »Wir haben kein Blut von den Sternen mehr, um die Zeremonie zu vollziehen.«
»Na und?« meinte Nemo ungehalten. »Das Blut besaß keinen eigentümlichen Wert. Seine Bedeutung war ausschließlich symbolischer Natur. In Zukunft wird das Blut des menschlichen Chefs für die Zeremonie benutzt. Der Capelianismus ist ein Ideal; sein Ziel ist die Eroberung der Erde zum Wohle der Erdlinge. Sie müssen vor dem eigenen Irrsinn bewahrt werden.«
»Wie die Dinge stehen, sieht es allerdings so aus, als würden die Eridaner den Krieg gewinnen.«
»Diese Äußerung grenzt an Verrat«,
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